"Märchenstadt" Hohenems

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Renovierung des Jüdischen Viertels könnte Vorarlbergs kleinste Stadt beleben.

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Renovierung des Jüdischen Viertels könnte Vorarlbergs kleinste Stadt beleben.

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Das Jüdische Viertel von Hohenems, historisch und architektonisch einzigartig im Bodenseeraum, könnte zum kulturellen Anziehungspunkt einerganzen Region werden. Internationale Architekten arbeiten an einemLeitkonzept für den Stadtkern. Vorarlbergs jüngste und mit knapp 14.000 Einwohnern kleinste Stadt, sucht nach einem Zukunftskonzept. An der Peripherie wird kräftig in Freizeitmagneten wie das Cineplexx (größtes Kino des Landes) investiert. Auch ein Erlebnisbad, so groß wie der Säntispark bei St. Gallen, soll dort entstehen.Gleichzeitig versinkt das Zentrum jedoch im Dornröschenschlaf.

Im JüdischenViertel, einer einst florierenden Gemeinde mit Synagoge, Schule, Armenhaus und Ritualbad, wohnen heute noch rund 200 Menschen. Der Großteil der 40 Gebäude ist abgewohnt und desolat. Die Synagoge, ein in den 50er Jahren verunstaltetes Barockgebäude, muß gar als Feuerwehrhaus herhalten. Seit 1998 bemüht sich eine Arbeitsgruppe aus Fachleuten und Gemeindepolitikern um ein Entwicklungskonzept. Ihrer Meinung nach könnte das Viertel ein Ort der Erinnerung und kulturellen Begegnung werden. Wie, das soll ein "städtebaulicher Ideenwettbewerb" aufzeigen, dessen ersteStufe soeben abgeschlossen wurde.

Die Ideen der Architekten, etwa die Grünflächen am Eingang zum Viertel freizuhalten, dafür aber freie Flächen im Kern städtisch zu bebauen, stießen auf wenig Interesse. "Das Thema Jüdisches Viertel ist nur medial aufgeheizt, von den Leuten wird es nicht so wichtig genommen", schildert Bürgermeister Christian Niederstetter die Stimmung.

Drei verschiedene Modelle der Architekten Hermann Czech (Wien), Peter Märkli (Zürich) undGerold Wiederin (Feldkirch) harrten wochenlang der Beurteilung. "Nur Einzelne haben sie angeschaut", sagt Niederstätter. Zum Desinteresse der Bürger kamen Störaktionen der Opposition. Teileder SP kritisierten "Geldverschwendung", die Freiheitlichen witterten "Planwirtschaft". Die Stadtvertretung stimmte der Fortsetzung des Wettbewerbs dennoch mit 20 gegen 12 Stimmen zu. Teil zwei, die Formulierung eines Leitkonzepts aus den drei eingebrachten Vorschlägen, soll bis April abgeschlossen sein.

Die städtebauliche Neuorientierung hat auch handfeste wirtschaftliche Gründe. Sanierung, Neunutzung und Bebauung könnten eine Investitionssumme von rund 800 Millionen Schilling auslösen und gut hundert neue Arbeitsplätze bringen. Bürgermeister Niederstetter, zuvor Tourismusmanager im Tiroler Ötztal, hat aber noch eine andere Idee zur Belebung der Hohenemser Wirtschaft. Er will Hohenems mit seinem Renaissancepalast, den Burgruinen und verwinkelten Gäßchen als "Märchenstadt" vermarkten.1,5 Millionen Schilling will die Stadt mitEU-Hilfe in ein Marketingkonzept stecken.

Nein, Disney solle nicht Pate stehen, so Niederstätter, eher die Kristallwelt von Swarovski bei Innsbruck. Im Dezember wird die Stadtvertretung entscheiden, ob Niederstätters Märchen wahr wird.

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