Magie und Mythen

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Das niederösterreichische Donaufestival, 10 Jahre alt, nimmt ein Bad "Im Fluß der Illusionen".

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Das niederösterreichische Donaufestival, 10 Jahre alt, nimmt ein Bad "Im Fluß der Illusionen".

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Vor zehn Jahren gegründet, begibt sich das Niederösterreichische Donaufestival auf Entdeckungsreise "Im Fluß der Illusionen". Theater, Tanz, Zirkus, Film, Bildende Kunst, die Grenzen zwischen den Sparten überschreitende Spektakel und experimentierende Avantgarde, große Zauberpoesie und verspielte Kleinkunst öffnen die Grenzen von der sogenannten Wirklichkeit zu ihrer anderen magischen Seite: der Illusion.

So verlebendigt sich zum Beispiel vor der mittelalterlichen Kulisse der Kremser Gozzoburg mit Giuseppe Verdis "Il Trovatore" großes Operngeschehen oder Prags berühmter zauberhafter Zirkus "Laterna Magika" stellt im St. Pöltner Festspielhaus eine Traumwelt aus Magie und Licht auf die Bühne. Produktionen wie "Le Cri du Cameleon", seltsam poetische Zirkusartistik auf den Spuren eines Alfred Jarry, Samuel Beckett oder Buster Keaton, andalusische Flamencoklänge einer "Carmen"-Produktion der Compagnie "La Cuadra de Sevilla" oder eine tänzerische Umsetzung der Rock-Kultoper "The Wall" sind in Krems und St. Pölten kein Gegensatz, sondern beleuchten Facetten des Themas.

Zwischen der Hektik der Endproben, der letzten Vorbereitungen, gerät Alf Krauliz, der Intendant des Niederösterreichischen Donaufestivals, ins Schwärmen: "Realität und Illusion bleiben aufeinander angewiesen, und dort wo sich diese mit Visionen verbinden, ergeben sich dann jene Glücksmomente, die man Kunst nennt."

Jubiläen sind es wert, sich zu erinnern und Bilanz zu ziehen. 1988 von der niederösterreichischen Landesregierung ins Leben gerufen, fiel die Wahl nach dem ersten Pilotprojekt und einer zweijährigen "Nachdenkpause" der verantwortlichen Politiker auf den heutigen Intendanten Alf Krauliz. Mittlerweile gehört das alljährliche Kulturspektakel zu den vier größten Festivals der Alpenrepublik und eine stolze Auslastung von nahezu 90 Prozent, Besucherzahlen von mehr als 60.000 bestätigen, daß sommerliche Unterhaltung durchaus auch anspruchsvoll sein darf. Das Donaufestivalteam setzt dabei auf jene drei Programmstrategien, die der Veranstaltungsreihe bisher ihren unverwechselbaren eigenständigen Charakter verliehen haben: auf das Experiment, auf junge Produktionen und auf das Öffnen des Kulturspektrums.

Eigene Wirklichkeit Vom Wachauer Theaterkarren, der 1988 durch die Lande zog, risikofreudigen Uraufführungen, wie jene von Werner Schwabs pornographischem Stück "Offene Gruben - Offene Fenster" (1992) bis zu ungewöhnlichen zauberhaften Kunstereignissen aus der Welt der Manege, wie die Gastspiele von Victoria Chaplin und Jean-Baptiste Thierree mit den Programmen "Cirque Invisible" (1994) und "Le Cercle Invisible" (1997) oder großangelegten Eigenproduktionen, unter denen vor allem die tänzerische Umsetzung von Carl Orffs "Carmina Burana" unvergessen bleibt, beeindruckte das Donaufestival über die Jahre durch seine Vielfalt Was bei anderen Festivals allerdings oft in einer Aneinanderreihung beliebiger "Acts" endet, ist hier stets eingebettet in komplexe, von der Mythen- und Märchenwelt des Donauraums inspirierte Themenstellungen, wie die kulturelle Abenteuerreise "Zu den Quellen" 1997 oder eben "Im Fluß der Illusionen".

"Die Reise durch unsere Illusionswelt begann eigentlich bereits vor zehn Jahren", erinnert sich Alf Krauliz. "Damals mußten wir uns unsere eigene Wirklichkeit erschaffen. So wie ein Künstler, sich seine eigene Wirklichkeit malt, mußten wir unsere Situation erfinden. Ob dies der Bau von Theaterhäusern war, ob das Schiffe waren, die durch die Wachau gefahren sind oder ob dies die Vision ist, daß man im Festspielhaus St. Pölten internationale Produkte entwickeln kann, die auch von hier die Reise aufnehmen werden."

Die Chancen dazu stehen gut. Geht man noch einige Jahre zurück, entdeckt man den Naturwissenschaftler mit kulturellen Ambitionen, dem eigentlich immer gelang, seine Visionen zu verwirklichen. Da gab es Mitte der siebziger Jahre eine Band mit dem Namen "Misthaufen", die ein Kampfmusical namens "Schabernack" schrieb, um den Abriß des Wiener Naschmarktes zu verhindern. Das gleichnamige Lied daraus wurde ein Hit, an dem sich vielleicht mancher noch erinnert. Zwischen 1978 und 1991 konzipierte und leitete Alf Krauliz die "Wiener Stadtfeste" (nun wieder seit 1998), drei Jahre später entwickelte für die Wiener Festwochen das "Festival der Clowns" und "Die Zeit der Puppen". An die 300 lebensgroßen Puppen bevölkerten damals die Wiener Innenstadt. Das Faible für circensische, ungewöhnliche Kulturereignisse, die alte Traditionen mit Zeitgeist und avantgardistischen Experimenten verbinden, mag hier seinen Ausgang genommen haben. Nicht zu vergessen ist auch die Entdeckung eines verfallenden Vorstadtetablissements und seine Umwandlung in eine Wiener Institution, das "Metropol" (1980).

"Ich bin immer mehrgleisig gefahren", läßt Alf Krauliz seine vielseitigen Interessen durchblicken. "Wenn du nur isoliert in eine Richtung gehst und dich immer im gleichen Tunnel bewegst, hast du klarerweise keine neuen Eindrücke." So setzt auch diesmal das Niederösterreichische Donaufestival mit zwei Veranstaltungsreihen "Best of Niederösterreich", wo sich die freie Theaterszene Niederösterreichs präsentiert und dem "Tag der Uraufführungen" mit Musikwerken junger Komponisten neue Impulse und erprobt Grenzüberschreitungen zwischen den Künsten.

12. Juni bis 4. Juli Auskunft: (01) 368 23 56 und (02732) 758401 +Empfehlungen: * Eröffnung (Wiener Staats-opernballett, Klavierkonzert von Robert Lehrbaumer, Xarxa Teatre aus Katalanien) 12. Juni, 19 Uhr Großes Festspielhaus/St. Pölten * "The Wall" (Ballettcompany des Theaters Altenburg-Gera) 17. und 18. Juni, 20.00 Uhr Festspielhaus St. Pölten * Laterna Magika 24. bis 27. Juni, 20.00 Uhr Krems/Theaterzelt Stadtpark * "Le Cri du Cameleon" (Cirque Anomalie) 13. bis 15. Juni, 19 Uhr 30 Theaterzelt, Stadtpark Krems * "Il Trovatore" (Staatsoper der Stadt Ruse) 13. und14. Juni, 21.00 Uhr Hoher Markt, Krems

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