Mainstream und Vielfalt

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Die Ausstellung "Hagenbund. Ein europäisches Netzwerk der Moderne“ im Belvedere arbeitet mit einer für Kunstgeschichte neuen Methode, um die Vielfalt der Künstlergruppe zu gewichten.

Mainstream im positivsten Sinn - das war, wofür der Hagenbund stand. Die 1900 gegründete Künstlervereinigung hatte es sich zum Programm gemacht, unterschiedliche Stile zuzulassen. "Künstlerische Vielfalt und Toleranz waren das Credo. Es gab demnach nicht einen Hagenbund-Stil, vielmehr waren Neoimpressionismus, Symbolismus, Kubismus, Expressionismus und mehr zu jener Zeit, in der sie en vogue waren, stark im Hagenbund vertreten“, sagt Belvedere-Kurator Harald Krejci. "Der Hagenbund war somit nie Vorreiter, sondern stand für moderate Moderne. Mainstream heißt hier, dass die Künstler am Puls ihrer Zeit waren“.

Um trotz des Stilpluralismus 182 Werke schlüssig in einer Ausstellung im Unteren Belvedere zu vereinen und verständlich herauszuarbeiten, welche Bedeutung die Künstler zu ihrer Zeit hatten, bediente man sich einer wissenschaftlichen Methode, die vor allem in der Naturwissenschaft Anwendung findet: der historischen Netzwerkanalyse. "Ich bin auch durch die Fußball-Netzwerkanalyse im Standard darauf gekommen“, sagt Kurator Krejci. "Wir haben alle Künstler mit jenen Hagenbund-Ausstellungen verknüpft, an denen sie teilgenommen haben.“

Durch die digitale Auswertung entstanden Grafiken, in denen jene Künstler, die oft und gemeinsam mit wichtigen Kollegen ausgestellt haben, groß und in der Mitte dargestellt sind: "So können wir schnell sehen, wer damals wichtig war - es gab einige Überraschungen, da Künstler, die heute bekannter sind, damals weniger bedeutend waren als solche, die man heute kaum mehr kennt“, sagt Krejci. "Die Ergebnisse haben uns geholfen, aus den vielen Werken des Hagenbunds auszuwählen. Außerdem sieht man auf den ersten Blick, dass es um Komplexität geht.“ Die Grafiken zu den einzelnen Zeitabschnitten sind im Großformat in der Ausstellung zu sehen und auf einem Computer interaktiv benutzbar, sie sind aber auch im Internet abrufbar. Ein neuer Blickwinkel auf die Kunstgeschichte wird hiermit ermöglicht, Zusammenhänge werden leicht verständlich visualisiert.

Ein starkes Netzwerk

In der Ausstellung ist zwar je ein Raum einer großen Ausstellung des Hagenbunds gewidmet, diese sollten aber keinesfalls originalgetreu rekonstruiert werden. Vielmehr zeigt man Werke der in der jeweiligen Phase wichtigen Künstler - und hat so Gelegenheit, qualitativ hochwertige Arbeiten aus dem Depot zu holen, die schon lange nicht oder noch nie präsentiert wurden. 53 Werke kommen aus dem eigenen Bestand, war die Moderne Galerie, das heutige Belvedere, doch zu Zeiten der Hagenbund-Ausstellungen unter den eifrigen Käufern.

Was die Schau somit bestimmt, sind Qualität und Vielfalt. Diese findet man bei einem schimmernden "Schwimmbad“-Bild von Ludwig Ferdinand Graf ebenso wie im neoimpressionistischen Gemälde von Rudolf Junk, bei Kokoschka ebenso wie bei Schwarz-Waldegg, Lilly Steiner und Carry Hauser. Kokoschka hängt hier neben Munch, Faistauer und Kolig finden sich neben tschechischen Kubisten. Beendet wird die Schau mit einem Blick ins Exil und die innere Emigration - zahlreiche Hagenbund-Mitglieder flohen, da sie Juden oder laut NS-Gesetzen "jüdisch versippt“ waren. Der Hagenbund löste sich 1938 auf.

Beim Besuch der Schau im Unteren Belvedere fallen zudem zwei Dinge auf: zahlreiche Frauen sind vertreten - im Gegensatz zu Secession und Künstlerhaus hatte der Hagenbund sehr wohl weibliche außerordentliche Mitglieder. Zudem sind unzählige Tschechen, Ungarn und Polen unter den präsentierten Künstlern. Der Hagenbund war stark vernetzt, Mitglieder stellten im Ausland aus, ausländische Kollegen waren bei Hagenbund-Ausstellungen dabei.

Wenn viele heute den Hagenbund im Vergleich mit weiteren Künstlervereinigungen der Zeit minder achten, so ist dies laut Krejci nicht fair, der Künstlerbund und sein Einfluss seien verkannt: "Viele Künstler laufen als zweite Garnitur, aber das ist nicht gerechtfertigt. Wir waren verblüfft, wie hoch die Qualität war. Die Ausstellung kann daher dazu beitragen, dass unterschätzte Künstler bestätigt werden - und auch der Hagenbund selbst.“

"Hagenbund. Ein europäisches Netzwerk der Moderne“

Unteres Belvedere, bis 1. Februar

täglich 10-18, Mi bis 21 Uhr

www.belvedere.at

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