Makellos malträtierte Körper

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Martyrologisch würden diese Geschenke ja eher zu Ostern passen. Aber die richtig großzügigen Geschenke werden eben immer noch zu Weihnachten gemacht; außerdem können viele, die sich auf die Schlachtbänke der Schönheitschirurgie drängen, nicht mehr bis Ostern warten. Der Busen der 18-Jährigen muss unverzüglich mit Silikon auf jenes Maß gebracht werden, von dem sie in der Fernsehserie gelernt hat, dass es den feschen und reichen Männern gefällt, sonst bringt sie sich noch vor der Matura um; und die Falten der 48-Jährigen bedürfen der sofortigen Kur mit Spritze und Messer, sonst geht ihr Mann mit der Sekretärin durch die Ballsaison.

Wovon ich spreche? Von dem Boom, der die plastische Chirurgie in diesem Advent erstmals auch in Österreich erfasst hat. In den USA wirft das Gewerbe, in dem das menschliche Fleisch auf die skurrilen ästhetischen Normen einer Gesellschaft gebracht wird, in der Gesundheit Pflicht, Individualität eine Marke und Alter ein Makel ist, schon lange enorme Gewinne ab. Im "alten Europa" - nur wer die amerikanische Lektion gelernt hat, kann erahnen, wie verächtlich Rumsfelds Wort gemeint war - hat es ein paar Jahre länger gedauert, aber jetzt ist sie da: die Industrie, deren Rohstoff der hinfällige, deren Versprechen der makellose und deren Produkt der malträtierte Körper ist.

Als sündhaftes Stück Fleisch, dessen Verlockungen es abzutöten galt, haben ihren Körper einst die christlichen Asketen gehasst; deren Erbe haben ausgerechnet jene vorgeblichen Hedonisten angetreten, die um der genormten Schönheit willen bereit sind, sich tief ins Fleisch schneiden, Knochen brechen, Fett absaugen oder Plastik implantieren zu lassen. Darum liegen heuer unter den Christbäumen so viele Gutscheine für die Filialen der plastischen Chirurgie. Aber es nutzt alles nichts: So oft zerschnitten und neu zusammengenäht kann der Körper gar nicht werden, dass sie ihn, den sie zu lieben meinen, nicht immer noch hassten.

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