"Man braucht eine sehr dicke Haut!"

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Quereinsteiger sichern einer Partei Aufmerksamkeit. Aber haben sie Erfolg? Die ehemaligen Polit-Neulinge Karin Gastinger und Ursula Stenzel diskutieren mit ZiB2-Anchorman und Buchautor Armin Wolf über ihre Erfahrungen.

Die Furche: In den nächsten Tagen und Wochen werden die Parteien ausschwärmen, um Prominente als Quereinsteigerinnen oder Quereinsteiger für die kommende Nationalratswahl zu gewinnen. Würden Sie Neulingen raten, in die Politik zu gehen?

Ursula Stenzel: Warum nicht? Wenn es sich der Gefragte zutraut und ein entsprechendes Umfeld vorfindet, soll er es realistisch prüfen. Aber jetzt unter diesem Termindruck jemandem einen Wahlkampf aufzuhalsen, halte ich eher für eine Zumutung.

Karin Gastinger: Ich glaube, es ist grundsätzlich wichtig, sich politisch zu engagieren. Aus meiner Erfahrung kann ich aber nur sagen, dass man sich die Programme und Strukturen der betreffenden Partei gut anschauen soll, für die man kandidiert. Und man soll auch darauf achten, wie das Programm gelebt wird. Das habe ich damals nicht gemacht - und das war sicher ein großer Fehler.

Die Furche: Herr Wolf, Ihr Ex-ORF-Kollege Josef Broukal hat das Parteiprogramm der SPÖ gut genug gekannt. Trotzdem ist er vergangene Woche enttäuscht ausgestiegen. Überrascht Sie das?

Armin Wolf: Es überrascht mich insofern, als Josef Broukal einer der wenigen Promi-Quereinsteiger war, die den Umstieg durchaus erfolgreich geschafft haben - wenn auch nicht so ganz, wie er sich das vorgestellt hat. Wenn man sich die durchschnittliche Amtszeit von Quereinsteigern anschaut, dann hat er ja überdurchschnittlich lange durchgehalten. Die grundsätzliche Frage, ob man zum Quereinstieg raten soll, hängt davon ab, was die Leute beruflich machen und was ihnen angeboten wird. Wenn sie aus dem Management kommen und ihnen ein Ministerposten angeboten wird, zu dem sie inhaltlich eine Affinität haben, dann ist die Erfolgsaussicht relativ groß. Ein "Star", der als Nationalrats-Abgeordneter in eine Partei geholt wird, tut sich aber vermutlich schwer. Denn dann muss man sich plötzlich in einem Club, in dem sich die Leute nicht übermäßig auf einen gefreut haben, ganz hinten anstellen - siehe Broukal. Als möglicher Minister ist er gekommen - und geendet ist er als Hinterbänkler.

Die Furche: Frau Stenzel, seit Sie 1996 als Spitzenkandidatin der ÖVP für die Wahlen zum Europäischen Parlament eingestiegen sind, halten Sie sich in der Politik. Was ist Ihr Erfolgsrezept?

Stenzel: Also erstens wollten mich die politischen Mentoren - vor allem Wolfgang Schüssel, der mich geholt hat. Auch die Diplomaten und Beamten des Außenministeriums haben mich sehr gut in die Finessen der Europapolitik eingeführt. Zweitens war ich Spitzenkandidatin und hatte deshalb auch die Möglichkeit, mich zu profilieren. Und in dem Moment, wo man einen Erfolg einfährt, wird man auch respektiert.

Gastinger: Der große Vorteil des Europaparlaments ist, dass dort eher sachlich gearbeitet wird - was einem Quereinsteiger zugute kommt. Ich kann auch nur bestätigen, was Sie, Herr Wolf, gesagt haben - dass es einen Unterschied macht, ob man als Quereinsteiger ein Ressort übernehmen soll oder als siebter Zwerg von links im Nationalrat sitzt.

Wolf: Also, ich wusste ja nicht genau, ob man Sie bewundern oder sich nur wundern sollte, dass Sie das damals gemacht haben, denn Sie sind ja nicht als Promi-Quereinsteigerin geholt worden, sondern aus Personalnot. Und dass Sie mit Ihrer beruflichen Vergangenheit ein Ressort mit tausend Beamten übernehmen sollten - das war wirklich bös'! Letztlich war Ihre politische Karriere ja auch sehr kurz. Und politisch betrachtet ist es total schiefgegangen! Dass Sie erst nach zweieinhalb Jahren draufgekommen sind, in welcher Partei Sie sind, wäre ja einem politischen Profi nicht passiert.

Gastinger: Das kann ich nur bestätigen! Im Ressort selbst ist es mir nach meiner Selbsteinschätzung gut gegangen, weil ich große Unterstützung aus dem Haus bekommen und ein gewisses Ausmaß an sozialer Kompetenz mitgebracht habe. Aber an der Parteipolitik bin ich gescheitert. Deshalb muss man sich als Quereinsteiger wirklich die Frage stellen: Ist das meine politische Heimat?

Wolf: Diese Integrations-Probleme berichten fast alle, die gescheitert sind - vor allem in der FPÖ. Aber noch ein Wort zum Erfolgsgeheimnis von Frau Stenzel: Warum sie 1996 von Wolfgang Schüssel gefragt wurde, für die EU-Wahl zu kandidieren, lag wohl auch an ihrer außenpolitischen Kompetenz. Aber der Hauptgrund war natürlich ihre Bekanntheit als ZiB-Moderatorin. Und zur Wiener Bezirkspolitik hatte sie Null fachliche Affinität. Aber sie hat nach einer Umfrage, wonach die SPÖ den ersten Bezirk - eine ÖVP-Bastion! - zu stürmen drohte, einen Wahlsieg eingefahren, bei dem alle mit den Ohren geschlackert haben!

Stenzel: Welche fachliche Qualifikation braucht ein Bezirksvorsteher, Herr Wolf? Ich würde sagen, er braucht einen gesunden Menschenverstand und Mitgefühl für die Menschen in seinem Kommunalwesen. Es ist ja auch nicht irgendein Bezirk, in den ich gegangen bin, sondern es ist der Bezirk, der Wien, der Österreich verkörpert. Die Bezirkspolitik ist natürlich viel kontroversieller und näher am Menschen als die Europapolitik: Alles, was man falsch macht, sieht man sofort mit eigenen Augen.

Die Furche: Sie, Frau Gastinger, haben schon erwähnt, woran man scheitern kann. Wie schwierig war für Sie der Umgang mit den Medien? Schließlich ist ja jedes Interview eine Herausforderung - vor allem bei Armin Wolf in der ZiB2 …

Wolf: Frau Gastinger ist nie von mir interviewt worden! Dabei wollte ich sie irrsinnig gerne fragen, an wieviel Selbstüberschätzung sie leidet. Aber es kam nicht dazu …

Gastinger: Ja, leider. Aber ich habe bewiesen, dass ich es kann (lacht). Der Umgang mit den Medien war am Anfang natürlich schwierig. Viele werden sich etwas Ähnliches gedacht haben wie Sie, Herr Wolf: Wer glaubt sie, dass sie ist? Aber im Laufe der Zeit hat sich das Verhältnis mit den Medien normalisiert.

Die Furche: Die größte Herausforderung für Quereinsteiger scheint also wirklich die eigene Partei zu sein. Wie schwierig ist es, sich gegen Absolventen der "Ochsentour" durchzusetzen?

Stenzel: Das hängt vom eigenen Charakter und jenem der anderen ab. Auch im Journalismus musste ich mich erst gegen etablierte Strukturen durchsetzen. Und auch in diesen Sphären gibt es Neid, Missgunst, Konkurrenz - aber auch sehr gute Kooperationen. Das ist in der Politik nicht viel anders. Man braucht halt eine gewisse Menschenkenntnis, um zu wissen: "Mit wem kann ich, mit wem kann ich nicht?" Und mit wem ich nicht kann, den lasse ich eben links liegen.

Die Furche: Manche befürchten durch Quereinsteiger eine "Deprofessionalisierung" der Politik. Braucht es überhaupt Quereinsteiger für das politische System?

Wolf: Also ich finde es spannend. Es sitzen 183 Abgeordnete im Parlament. Wenn vier oder fünf Quereinsteiger darunter sind, wird es der Professionalität nicht sehr schaden. Es ist ja auch nicht sicher, dass ein Langzeit-Bauernbundfunktionär aus dem hinteren Waldviertel sehr viel mehr zur Professionalität des Parlaments beiträgt. Quereinsteiger haben insofern eine wichtige Funktion, als sie eine Anbindung zu den Wählern schaffen können. Aber es kann auch dramatisch schiefgehen. Mein Lieblingsbeispiel ist Patrick Ortlieb: Das ist nicht nur für ihn persönlich schiefgegangen, weil er vorher ein besseres Image hatte als nachher, sondern das hat auch dem "Projekt Quereinsteiger" geschadet. Hier hatte man das Gefühl: Da wird ein Mandat im Parlament von jemandem versessen, der einen anderen Beruf schwänzt und der das ja nicht gratis macht.

Die Furche: Apropos Geld: Ist das Politiker-Gehalt für Neulinge eher Anreiz oder Abschreckung?

Stenzel: Für mich war es die Fortsetzung dessen, was ich schon verdient habe. Auch jetzt als Bezirksvorsteherin bin ich einem Nationalrats-Abgeordneten praktisch gleichgestellt. Ich betrachte es auch nicht als Lohn, sondern als Entschädigung. Wenn man gute Leute in der Politik haben will, dann muss man eben sicher stellen, dass sie keinen Verlust in Kauf nehmen müssen. Sonst werden sich viele gut ausgebildete, junge Menschen überlegen, ob sie sich das antun.

Gastinger: Auch für mich war Geld kein Anreiz, obwohl mein Gehalt in Relation zu meinem früheren Job um einiges gestiegen ist. Aber der Preis ist ja auch hoch. Wenn man einmal in der Auslage gestanden ist, dann hängt einem das ein Leben lang nach. Man kommt aus einer anderen Welt, steht in der Medienöffentlichkeit - und es bleibt ein Bild von einem. Mit dem muss man selbst und die eigene Familie erst einmal leben. Geld kann so etwas nie aufwiegen.

Die Furche: Sind Sie rückblickend mit Ihrer Entscheidung im Reinen?

Gastinger: Ja, schon. Ich wusste ja, dass ich es kann.

Wolf: Aber das konnten Sie doch nicht wissen! Wenn mich im ORF mit Mitte dreißig und sechs Mitarbeitern jemand gefragt hätte: "Wollen Sie Generaldirektor werden?", dann hätte ich gesagt: "Das ist eine große Ehre, aber das kann ich nicht."

Gastinger: Mein Lebenscredo lautet: "Ich kann nicht" heißt "ich will nicht". Und ich wollte. Ich wusste, dass ich relativ gut mit Menschen umgehen kann, ich habe auch die Verwaltung gekannt und wusste, wie ein Ministerium funktioniert. Der Rest war Glück, weil ich gute Leute um mich gehabt habe. Man muss die Menschen gern haben - egal ob es die Leute im Haus sind, Journalisten oder politische Kontrahenten.

Die Furche: Und man braucht eine dicke Haut. Sie etwa waren binnen Wochenfrist Jörg Haiders "Boxenluder"…

Gastinger: Natürlich braucht man eine sehr dicke Haut. Wenn Sie dazu neigen, alles gleich persönlich zu nehmen, dann würde ich Ihnen dringend empfehlen, Ihrem alten Brotberuf weiter nachzugehen. Wenn sie aber in sich ruhen, dann werden Sie auch erfolgreich sein.

Die Furche: Andreas Rudas nennt im Buch "Promi-Politik" von Armin Wolf (siehe Seite 4 unten) drei andere Eigenschaften, die Politiker in Österreich mitbringen sollten: Intrigantentum, Sitzfleisch und Eitelkeit …

Wolf: Und Sie, Frau Stenzel, haben gesagt: "Profi-Politiker sind eher hinten herum."

Stenzel: (lacht) Es muss nicht immer hinten herum sein. Aber ein Politiker muss natürlich auch ein Taktiker sein, wenn er etwas durchsetzen will. Und er muss zielorientiert vorgehen und sich gute Berater holen.

Die Furche: Und was sind die Kardinalfehler eines Politikers?

Stenzel: Wahlen verlieren (lacht). Sonst gibt es keine …

Die Furche: Wenn das so einfach ist, Herr Wolf, könnten Sie sich dann nicht vorstellen, irgendwann einmal einen Quereinstieg zu wagen? Schließlich waren Sie laut "Wikipedia" bis zum Alter von 18 Jahren schon Mitglied der jungen ÖVP …

Wolf: Da müsste schon das Gravitationsgesetz außer Kraft gesetzt werden, dass ich mir das vorstellen könnte! Ich kann nichts kochen außer Kaffee - aber ich kann noch immer besser kochen als Politiker zu sein. Ich würde genau an den Dingen scheitern, an denen die meisten scheitern. Außerdem bin ich unendlich viel besser im Fragen stellen als im Antworten geben.

Das Gespräch moderierten Regine Bogensberger und Doris Helmberger.

Mitarbeit: Amina Beganovic.

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