"Man könnte sagen, sie sind Freunde"

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Das Schauspielhaus Wien beginnt seine zweite Saison unter Andreas Beck mit der österreichischen Erstaufführung von Anja Hillings "Schwarzes Tier Traurigkeit".

Anja Hilling ist so etwas wie die Katastrophenspezialistin der jüngeren deutschen Dramatik. Ob unaufhörlicher Regen in "Monsun", mächtige Gewitterstürme in "Bulbus" oder ein verheerender Waldbrand, immer wieder konfrontiert die 33-Jährige ihr Personal mit der Macht der Elemente. Sie sieht im Inferno - wer will, kann darin ein Zeichen einer tödlichen gesellschaftlichen Entfremdung sehen - für die Menschen eine Chance zur Veränderung.

Zuviel Handwerk …

In ihrem jüngsten Stück "Schwarzes Tier Traurigkeit" schickt sie drei Pärchen und ein Kind in den Wald, eine Nacht unter freiem Himmel zu verbringen, Sterne zählen, Sorgen vergessen, einfach spüren, dass man da ist. Das will nur mühsam gelingen, denn die sechs, allesamt Vertreter der Kreativabteilung der Wohlstandsgesellschaft (Architekt, Fotografin, Ex-Model etc.), werden durch ihr "falsches Leben" immer wieder eingeholt. Zudem sind sie durch ein kompliziertes Beziehungsgeflecht mehrfach überkreuz miteinander verstrickt, was Anlass zu diversen Sticheleien bietet. Trotzdem, "man könnte sagen, sie sind Freunde". Der Rest ist schnell erzählt: Die Grillparty verursacht eine Feuersbrunst, die zwei von ihnen das Leben kostet und den anderen klar machen sollte, dass ihr Leben nicht wie bisher weitergehen kann. Das passiert aber nicht, denn die hippen Metropolenbewohner erweisen sich überwiegend als veränderungsresistente Zeitgenossen.

Zweifellos, Hilling kann schreiben, das Problem aber ist, sie hat nicht viel zu sagen. Ihre Figuren sind nicht nur beliebig, sie haben keine Tiefe, und die Botschaft, dass nach existenziellen Erfahrungen das Leben mitunter zwar ein anderes, ein Neuanfang aber dennoch schwierig ist, ist so richtig wie banal.

… und zuwenig Kunst

Auch der Regie von Tomas Schweigen gelingt es nicht, der Vorlage mehr Substanz einzuhauchen. Weil Natur und insbesondere ihre katastrophischen Erscheinungsformen am Theater so schwer darzustellen sind, greift er zu einem bewährten Kunstmittel - dem der Distanzierung. Die Figuren, in bunte Arbeitsanzüge gekleidet, zeigen, dass sie spielen. Den Wald pinseln sie gleich selbst mit großem Strich an die weißgekalkte Brandmauer. Zu Tableaus aufgereiht, sprechen sie den Text mitsamt den Szenenanweisungen mal als Figurenrede mit gestischem Spiel, mal als kommentierende, epische Erzählung. Das alles liegt zu sehr auf der Hand und hat man schon oft gesehen. Für diesmal gab es im Schauspielhaus zuviel Handwerk und zuwenig Kunst.

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