"Man wird ein Zeitgenosse"

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Im Filmporträt "Der Staat gegen Fritz Bauer" spielt Burghart Klaußner den bekannten Nazi-Jäger. Die FURCHE traf ihn zum Gespräch.

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Im Filmporträt "Der Staat gegen Fritz Bauer" spielt Burghart Klaußner den bekannten Nazi-Jäger. Die FURCHE traf ihn zum Gespräch.

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Der hessische Generalstaatsanwalt Fritz Bauer zählt zu den bekanntesten Unbekannten, die in der Zeit nach 1945 damit befasst waren, geflohene und untergetauchte Nazis vor Gericht zu bringen. Der überzeugte Atheist war der Sohn jüdischer Eltern und schon früh politisch aktiv. Die NS-Zeit verbrachte er in Dänemark und Schweden, nach dem Krieg strengte er zahlreiche Prozesse für die Täter an, darunter auch den Auschwitzprozess. "Der Staat gegen Fritz Bauer" von Regisseur Lars Kraume befasst sich mit Bauers wohl ehrgeizigsten Unterfangen: Bauer, gespielt von Burghart Klaußner, ist Adolf Eichmann in Argentinien auf der Spur und will den einstigen "Architekten" der "Endlösung" mit Hilfe des Mossad zur Strecke bringen. Doch Bauer erfährt auch scharfen Gegenwind: Seine eigene Behörde bremst seine Bemühungen, nur sein jugendlicher Kollege, der Staatsanwalt Karl Angermann (Ronald Zehrfeld) ist auf seiner Seite. Zugleich machen sich Bauer und Angermann wegen ihrer Homosexualität in den späten 1950-ern zur Zielscheibe der allerorts vorhandenen reaktionären Kräfte.

Kraume inszeniert zurückhaltend, entwirft aber ein strenges Sittenbild der grauen 50er-Jahre, in dem er sich dann und wann auch verirrt. Klaußner und der Rest des Ensembles spielen dieses Drama von der Besessenheit für die Gerechtigkeit aber famos.

Die Furche: Herr Klaußner, schon in Michael Hanekes "Das weiße Band" beeindruckten Sie als Dorfpfarrer mit gestrenger und zugleich sanfter Art. Dieselbe seltene Kombination findet man auch in diesem Film.

Klaußner: Das stimmt, aber die Gewichtung ist diesmal anders. Dennoch war die Ambivalenz einer gewissen Strenge und einer Sanftmütigkeit wichtig für die Figur. Das sind die Extreme, mit denen ich spiele, und die im Rahmen eines langen Berufslebens manchmal auch sehr zerreißend sind. Aber es ist schön, einen Weg gefunden zu haben, diese produktiven Extreme zusammenzubinden.

Die Furche: In der Rolle des Nazi-Jägers Fritz Bauer gehen Sie sichtlich auf.

Klaußner: Für mich war Fritz Bauer eine Rolle, die ich unter allen Umständen spielen wollte. Es hat auch nicht lange gedauert, bis ich die Rolle hatte, denn ich habe das wirklich mein ganzes Bestreben hineingelegt. Was ich damit sagen will: Für mich war es wichtig, nach der dunklen Seite der Medaille nun auch die helle zu zeigen. Der Pfarrer im "Weißen Band" ist ohne Frage eine Figur aus dem Deutschland des 20. Jahrhunderts. Aber in ganz Europa hat es damals diese Form der strengen Erziehung gegeben. Es gab auch einzelne, die dagegen aufgestanden sind, das waren Helden. Und so einen Helden nun spielen zu können und der anderen Rolle entgegenzusetzen, war ein Riesenglück. Ich hoffe, dass sich das jetzt ein bisschen länger miteinander unterhält.

DiE FurchE: Dieser Fritz Bauer war kompromisslos und hat alles auf eine Karte gesetzt: Wenn er Eichmann nicht findet, will er alles hinschmeißen, betont er mehrfach.

Klaußner: Gegen Ende wird Bauer klar, dass er nicht aufgeben kann, schon gar nicht ab dem Zeitpunkt der Intervention durch den jungen Kollegen Angermann. Bauer wusste außerdem aus früheren Prozessen, wie wichtig die Arbeit war, die er machte. Der Auschwitz-Prozess, den Bauer führte, ist noch viel bekannter und enger an seine Person geknüpft als die hier erzählte Geschichte Adolf Eichmanns. Fritz Bauer ist kaum bekannt, weder in Österreich noch in Deutschland. Der Reiz dieser Figur liegt für mich darin, dass da einer kämpft und auch durchhält, aber dass er enorme Schwierigkeiten damit hat - auch persönliche. Ein gebrochener Held eben: Das sind immer die spannenderen Figuren für einen Schauspieler.

DiE FurchE: Besonders gut zeigt der Film die Hilflosigkeit, mit der man den einstigen Nazis entgegnen muss, die längst wieder in ihren Ämtern sitzen. Aus dem braunen Parteibuch wurde rasch ein rotes oder schwarzes.

Klaußner: Da haben Sie recht. Und außerdem fällt mir auf, dass es viele junge Leute gibt, die den Film gesehen haben und sich total gewundert haben, dass es nach dem Krieg überall noch solche Nazis gab. Ja, wo sollen die denn geblieben sein?

DiE FurchE: Wissen die Jungen heute zu wenig über das Dritte Reich?

Klaußner: Jede Generation und jede Zeit muss sich die Geschichte neu erarbeiten. Ich frage Sie: Was wissen wir denn schon über Napoleon? Insofern ist es immer wieder ein Neuanfang mit der Historie. Es gibt ja nach wie vor -bei Ihnen in Österreich, wie auch bei uns in Deutschland -diese Primitivlinge der Neonationalsozialistischen Bewegung. Menschen, die der Gewalt frönen und die einst ausgeübte Gewalt ableugnen, den Holocaust verleugnen und Adolf Hitler für einen großen Staatsmann halten. Offensichtlich ist eine gewisse Idiotie nicht auszurotten.

DiE FurchE: Sie haben sehr genau die Bewegungen und die Art zu Sprechen studiert, als Sie die Rolle von Fritz Bauer vorbereiteten.

Klaußner: Man muss eine historische Person, von der es auch genügend Bilddokumente gibt, schon annehmen, aber der Witz ist, dass man mehr als nur das Individuum reproduziert, weil man dadurch auch die Zeit aufscheinen lassen kann, in der diese Figur gelebt hat. Was nützt es mir, wenn ich jemanden nachahme? Was ich als Schauspieler entwickeln will, ist eine Zeitgenossenschaft zu der Figur. Das ist eine Gratwanderung zwischen Aneignung und freier Interpretation.

DiE FurchE: Die Imitation will man ja nicht, oder?

Klaußner: Je imitierter, desto leerer, das muss man leider sagen.

Der Staat gegen Fritz Bauer

D 2015. Regie: Lars Kraume. Mit Burghart Klaußner, Ronald Zehrfeld. Thimfilm. 105 Min.

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