Mann und Frau als Gottesbilder

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Du sollst dir von Gott kein Bild machen. So steht es in den Zehn Geboten, so lautet die alttestamentliche Tradition, an die sich das Judentum bis heute hält. Gleichzeitig wird schon in den Schöpfungsberichten zu Beginn des Buches Genesis davon gesprochen, das der Mensch „Bild Gottes“ ist.

Theologie und Anthropologie, die Lehre von Gott und die Lehre vom Menschen, sind in der Heiligen Schrift auf das Engste miteinander verbunden. Sie sind innerlich so aufeinander bezogen, dass das eine ohne das andere nicht gedacht und nicht angemessen zur Sprache gebracht werden kann.

Das wird sogleich in den ersten Versen der Bibel in einer theologisch überaus kühnen Aussage ins Wort gefasst. Der bekannte Satz im Buch Genesis lautet: „Und Gott schuf den Menschen als sein Bild, als Bild Gottes schuf er ihn, männlich und weiblich schuf er sie“ (Gen 1,27).

Der hebräische Text verwendet für „Bild Gottes“ den Begriff säläm älohim. Das Wort säläm bezeichnet eine Statue, näherhin eine Gottesstatue. Gemeint ist mit säläm keine flachbildliche, sondern eine rundplastische Darstellung, kein gemaltes Bild, sondern eine Statue. Derartige Götterstatuen standen in den Tempeln, den Wohnhäusern der Götter. Sie wurden von Priestern mit Nahrung versorgt, gewaschen, gesalbt, mit kostbaren Gewändern und Schmuck bekleidet. In den Götterstatuen sah man einen Leib, in den eine Gottheit eintritt, um durch ihn in der Welt gegenwärtig zu sein. Es gab eigene Riten, mit denen das Eingehen der Gottheit in ihr Bild begangen und vollzogen wurde. So waren die Gottesbilder streng genommen keine Abbilder einer im Himmel thronenden Gottheit, sondern Medien ihrer irdischen Vergegenwärtigung. In den Gottesbildern waren die Götter gegenwärtig. Die Statuen repräsentierten die Götter.

Der Mensch als Gottesstatue

Der in Genesis 1 verwendete Begriff „Bild Gottes“ ist so zunächst einmal vor dem Hintergrund der altorientalischen Kulturen, näherhin vor dem Hintergrund der altorientalischen polytheistischen Religionen zu verstehen.

Die biblische Schöpfungserzählung artikuliert sich im Horizont dieser Kulturen. Zugleich aber setzt sie sich deutlich von ihnen ab. In der alttestamentlichen Tradition nämlich gibt es – zumindest offiziell – keine Gottesbilder. Der Gott Israels darf bildlich nicht dargestellt werden. Im Tempel zu Jerusalem stand keine Gottesstatue. So zumindest sagt es das Alte Testament. Und so wird es sehr wahrscheinlich auch gewesen sein. Vor diesem Hintergrund besagt nun die Aussage von Gen 1,27: Gott wird nicht durch eine leblose Statue repräsentiert, sondern durch den lebendigen Menschen. Der Mensch ist als Bild Gottes sein Repräsentant auf Erden. In ihm und durch ihn ist Gott in der Welt gegenwärtig.

Gott beauftragt den Menschen zur Herrschaft in der Welt. Die Herrschaft des Menschen über die Fische des Meeres, die Vögel des Himmels und die Tiere und alles Kriechgetier der Erde ist von Gott verliehene und an seinen Auftrag rückgebundene Herrschaft. Interessanterweise scheint es sich in Genesis 1 um eine Herrschaft ohne Blutvergießen zu handeln. Denn dem Menschen wie übrigens auch den Tieren werden nur Pflanzen als Nahrung zugewiesen (Gen 1,29f).

Wenn wir die Aussage vom Menschen als einer die Gottheit vergegenwärtigenden Statue noch weiter bedenken, dann drängt sich eine weitere Vorstellung auf. Die von Gott geschaffene Welt, in die hinein der Mensch als eine Gottesstatue gestellt wird, ist im Grunde ein Heiligtum, ein Tempel. So nämlich wird verständlich, weshalb der Mensch das letzte der von Gott geschaffenen Werke ist. Der letzte und entscheidende Akt, durch den ein Tempelgebäude zum Wohnhaus eines Gottes wird, ist die Überführung des Gottesbildes in das Heiligtum.

In Analogie dazu wird als letztes der Werke der Mensch erschaffen, und zwar als eine Gottesstatue. Dadurch wird die Welt, in die hinein er gestellt wird, in gewisser Weise zu einem Heiligtum, in dem Gott in der Gestalt seines Bildes wohnt. Dass die Schöpfung von ihrem Ursprung her auf den Gottesdienst hin angelegt ist, wird schließlich durch die Segnung und Heiligung des siebten Tages unterstrichen.

Aufgefallen ist schon immer die eigenartige Formulierung am Ende der ersten Schöpfungserzählung in Gen 2,1–3. Einerseits ist Gott mit der Erschaffung der Werke der Schöpfung fertig; er arbeitet also am siebten Tag nicht mehr, andererseits aber ist die Schöpfung noch nicht vollendet. Vollendet wird sie durch die Segnung und Heiligung des siebten Tages.

Werfen wir noch einmal einen Blick auf die Israel benachbarten Kulturen. Auch dort konnte vereinzelt ein Mensch als Bild Gottes bezeichnet werde. Allerdings waren es dort – von Ausnahmen abgesehen – nur die Könige. Das gilt für den Pharao in Ägypten, aber auch für die Könige der neubabylonischen (ca. 1000–500 v. Chr.) und assyrischen Zeit (13.–7. Jh. v. Chr.). Liest man Genesis 1 vor diesem Hintergrund, so können wir die Aussage von der Gottebenbildlichkeit des Menschen als Universalisierung einer ursprünglich dem König vorbehaltenen Auszeichnung verstehen. Nicht nur der König ist Bild Gottes, sondern alle Menschen sind es noch vor jeder sozialen, ethnischen und religiösen Differenzierung. Mann und Frau sind es in gleicher Weise.

Die Erschaffung von Mann und Frau

Die Erschaffung des Menschen als Mann und Frau im zweiten Kapitel des Buches Genesis kann als eine Entfaltung des in Genesis 1 nur sehr knapp erzählten Vorgangs verstanden werden. Es fällt nämlich auf, dass Gott nicht zuerst den Mann erschafft, sondern einen Menschen. Gen 2,7 lautet: „Und Gott, der Herr, formte den adam, d.h. den Menschen, aus Staub von der adama, das heißt dem Erdboden“.

„Adam“ ist hier kein Eigenname, sondern Gattungsbezeichnung. „Adam“ bedeutet „Mensch“, nicht „Mann“. Vom Mann (hebräisch: isch) ist erst später die Rede (Gen 2,23) und zum Eigennamen wird adam erst im vierten Kapitel des Buches Genesis. In Gen 2,7 liegt ein Klangspiel vor: Der adam, der Mensch, ist geformt aus der adama, dem Erdboden. Das Klangspiel ist aber auch ein Sinnspiel. Der von Gott geschaffene Mensch ist mit der Erde verbunden, mit seinem Lebensraum.

Die Menschenschöpfung gelangt nicht mit der Erschaffung eines lebendigen und versorgten Menschen an ihr Ziel, sondern mit der Erschaffung von Mann und Frau, die einander zugeordnet sind. Eine Etappe auf dem Weg zu diesem Ziel ist die Erschaffung der Tiere. Doch die Tiere, so zeigt sich, sind nicht die Hilfe, „die dem Menschen entspricht“, sind kein ihm entsprechendes Gegenüber.

Mann und Frau sind gleich ursprünglich

Die Frau wurde nicht aus der Rippe des Mannes erschaffen, sondern aus der Rippe des ersten Menschen. Erst durch die Erschaffung der Frau (ischa) aus der Rippe des Menschen (adam) wird der erste Mensch (adam) zum Mann (isch). Mannsein und Frausein liegt also ein ursprüngliches, gemeinsames Menschsein zugrunde. Mit einem Klangspiel bringt der zum Mann gewordene Mensch dies zum Ausdruck: „Das endlich ist Gebein von meinen Gebeinen und Fleisch von meinem Fleisch. Ischa (Frau) soll sie heißen, denn von isch (Mann) ist sie genommen.“ (Gen 2,23) Die Aussage „denn vom Mann ist sie genommen“ ist wörtliche Rede und gibt die subjektive Sicht des Mannes wieder. Aus der Sicht des allwissenden Erzählers ist die Rippe vom Menschen (adam), nicht vom Mann genommen (Gen 2,24). Darin artikuliert sich die grundlegende Einsicht der biblischen Anthropologie der Geschlechter.

Mit diesem aus Genesis 2 gewonnenen anthropologischen Konzept stimmt auch die Erzählung von Genesis 1 überein. Sie sagt das Gleiche, lediglich auf andere Weise. Nach Genesis 1 werden die Menschen von Anfang an als männliche und weibliche Menschen erschaffen. Mann und Frau sind gleich ursprünglich.

Beide sind Bilder Gottes. Sie verwirklichen auf je unterschiedliche Weise das ganze Menschsein.

Der Autor ist Professor für Alttestamentliche Bibelwissenschaft an der Kath.-Theol. Fakultät der Universität Wien.

Gekürzter Auszug des Vortrags, den der Autor beim Ordenstag 2008 in Wien gehalten hat.

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