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Literatur ist, glaubt man den Experten, in der Schule von heute vor allem Bildungsballast. Im Südtiroler Dorf Laas sieht das anders aus: Da wird alle zwei Jahre im September einen Tag lang öffentlich aus fünf deutschsprachigen Debütromanen gelesen und darüber diskutiert, und die Halle ist bis auf den letzten Platz gefüllt, überwiegend mit konzentriert lauschenden Schulklassen.

Der mit 8000 Euro dotierte Franz-Tumler-Preis ist ein etwas anderes Lesefest für die Region, die sich sonst im Herbst der Weinlese und der Apfelernte widmet. Die Lektüre wird in den Vinschgauer Schulen vorbereitet und in den Bibliotheken gefördert. Alle Leser können über die Vergabe des Publikumspreises abstimmen, der aus einem mehrwöchigen Schreibaufenthalt in exponierter Ruhe-und Sonnenlage besteht. Ähnlich wie im Salzburger Rauris ist in Laas wochenlang der ganze Ort auf den Beinen, alle oder jedenfalls: viele, denken nach, organisieren, dekorieren - die Konterfeis der Autoren und Juroren lächeln aus den Auslagen von Bäckerei und Fleischhauerei. Laas ein Ort des Eigensinns. Und eigentlich ein Industrieort: der Marmor war berühmt in der Monarchie, die Pallas Athene in Wien ist ebenso aus Laaser Marmor wie das Elisabeth-Denkmal im Volksgarten. Im Dorf steht eine imposante Büste Kaiser Franz Josephs, die man den italienischen Behörden als unpolitisches Kunstwerk untergejubelt hat. Franz Tumler (1912-1998), der vom Saulus des gehobenen Nazi-Heimatdichters zum Paulus des radikalen Erzähl-Skeptikers und modernen Südtiroler Klassikers wurde, passt als Preis-Patron hierher. 2017 könnte doch auch das Feuilleton einmal einen Blick auf die Provinz riskieren. 2015 haben sich fünf Autorinnen um den 5. Franz-Tumler-Preis beworben. Bekommen hat ihn die Deutsche Kristine Bilkau mit ihrem Krisenroman "Die Glücklichen".

Die Autorin ist Germanistin und Literaturkritikerin

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