Massenmörder ohne Reue

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Schon 2003 begann Joshua Oppenheimer Angehörige der Opfer des Genozids in Indonesien, bei dem 1965/66 von der Armee General Suhartos und zivilen Todesschwadronen bis zu einer Million Kommunisten, Gewerkschafter, Lehrer und chinesische Arbeitsmigranten ermordet wurden, zu interviewen. Auf Druck der Armee mussten die Dreharbeiten aber bald abgebrochen werden. Statt auf die Opfer konzentrierte sich Oppenheimer deshalb auf die Täter, die sich gerne filmen ließen. Ergebnis dieser Recherche war der im Vorjahr Oscar-nominierte Dokumentarfilm "The Act of Killing", in dem die Mörder mit ihren Taten prahlen und diese auch vor der Kamera drastisch nachspielen.

In "The Look of Silence" blickt der in Dänemark lebende Texaner nun aus der Perspektive der Opfer auf den Genozid. Ausgangspunkt sind Aufnahmen aus dem Jahr 2003, in denen die Täter freimütig und detailliert darlegen, wie sie den Gewerkschafter Ramli bestialisch ermordeten. Oppenheimer begleitet zehn Jahre später Ramlis nach den Massakern geborenen Bruder Adi, lässt ihn die Mörder aufsuchen und mit dem Bildmaterial konfrontieren. Auf grelle Momente wie in "The Act of Killing" verzichtet er, beschränkt sich darauf geduldig und ruhig die Konfrontationen von Adi und den Tätern mit der Kamera festzuhalten und gibt auch dem Schweigen Raum.

Auch die Überlebenden an Leib und Leben bedroht

Ein treffendes Bild findet Oppenheimer dabei, wenn er den Optiker Adi seinen Gegenübern immer wieder Sehhilfen anpassen lässt, die auch ihren Blick auf die Geschichte schärfen sollten. Doch Schuldbewusstsein zeigen sie immer noch keines, reden sich weiter aus, nur einen Auftrag ausgeführt zu haben oder beginnen sogar Adi mehr oder weniger offen zu drohen.

Wie ernst solche Drohungen zu nehmen sind, macht einerseits der Umstand deutlich, dass zahlreiche Mitarbeiter im Abspann nur als "Anonymous" genannt sind, und andererseits Adis Familie nach Abschluss des Films aus Angst um ihr Leben an einen unbekannten Ort übersiedelte.

Eindrücklich und erschütternd zerrt "The Look of Silence" gerade in der Konzentration auf ein Einzelschicksal einen in Indonesien verdrängten und im Westen vergessenen Massenmord ans Licht, vermittelt aber auch einen Einblick in die heutige indonesische Gesellschaft, in der die Mörder immer noch an der Macht sind und das Geschichtsbild bestimmen.

The Look of Silence

DK/N/FIN/Indonesien/GB 2014. Regie: Joshua Oppenheimer. Polyfilm. 104 Min.

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