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Eine Zuckerinsel mit Völkergemisch und Sprache wie in der Karibik - allerdings im Indischen Ozean gelegen

Irdische Paradiese haben es so an sich, dass man sie im Gegensatz zum Jenseitigen nicht kostenlos betreten kann. Mauritius ist zweifellos nicht die übelste Verkörperung eines irdischen Paradieses: Ein klein wenig nördlich des Steinbock-Wendekreises und ein wenig östlich von Madagaskar liegt die nur 2000 Quadratkilometer große Insel mitten im Indischen Ozean - die Strände sind weiß, das türkisfarbene Wasser hat selbst im Winter nicht unter 24 Grad, und vor allzu heftigen Attacken der Sonne bewahrt ein schattenspendender Palmenersatz, der sich Filao nennt.

Da sich solche Vorzüge nicht auf Dauer geheimhalten lassen, ist der Tourismus auf Mauritius eine Wachstumsbranche. Aber die Mauritianer wollen nicht die Fehler anderer Paradiese wiederholen, und so umwerben sie bewusst den "Qualitätstouristen", der nur ganz ausnahmsweise mit einem Charterflugzeug ankommt; und ein Rückflugticket muss er auch vorzeigen, sonst darf er erst gar nicht einreisen: Aussteiger, die reif für die Insel sind, haben hier also keine Chance.

Es gibt aber noch einen anderen plausiblen Grund, warum die Mauritianer an Einwanderern welcher Art auch immer wenig Interesse haben: Die kleine Insel ist nämlich mit einer Million Einwohnern einigermaßen dicht besiedelt. Diese Bevölkerung ist ein richtiger Cocktail aus Indern, Kreolen, Chinesen und Franko-Mauritianern, die hier - obwohl sie als Hindus, Moslems und Christen auch verschiedenen Religionen angehören - ohne größere Spannungen zusammenleben.

500 Jahre Geschichte

Der Grund für diese Mischung ist in der 500-jährigen Geschichte von Mauritius zu finden. Arabische Seefahrer kannten die Insel schon vor den Europäern, und es waren wohl auch arabische Lotsen, die dem Portugiesen Don Pedro Mascarenas zu Beginn des 16. Jahrhunderts zu ihrer Entdeckung verhalfen. (Nach Mascarenas ist übrigens die ganze Inselgruppe der Maskarenen benannt, zu der auch Réunion und Rodrigues gehören.)

Fast 100 Jahre später kamen die Holländer, die den Reichtum der Insel an Edelhölzern entdeckten und ausbeuteten. Sie brachten auch die ersten Sklaven aus Afrika, Java und Madagaskar mit. Als die Holländer abzogen, hatten sie die Pflanzenwelt verwüstet und die Tierwelt um einige Arten vermindert - das bekannteste Beispiel ist die Dronte, auch "Dodo" genannt, ein etwa schwanengroßer, flugunfähiger Vogel mit krummem Schnabel, dem sein wohlschmeckendes Fleisch und seine Arglosigkeit zum Verhängnis wurden.

Schon während der Zeit der Holländer hatten Piraten die Insel als günstigen Stützpunkt für Überfälle auf Schiffe auserkoren, die aus Ostindien zurückkehrten. Jedenfalls nahm das Piratenunwesen derartige Ausmaße an, dass die Franzosen sich 1715 gezwungen sahen, eine Expedition auszurüsten - und so wurde Mauritius zur Île de France, zur französischen Kolonie.Mit dem Gouverneur Mahé de Labourdonnais begann ein steiler wirtschaftlicher Aufstieg: Die Hafenstadt Port Louis wurde gegründet und war bereits Ende des 18. Jahrhunderts ein Hafen von Weltgeltung. Der Zuckerrohranbau wurde zum dominierenden Wirtschaftsfaktor und in großer Zahl kamen neue Sklaven auf die Insel.

Die Auseinandersetzungen zwischen Franzosen und Engländern in Europa warfen ihren Schatten auch auf unsere Insel: Um die englische Wirtschaft wo nur immer möglich zu schädigen, erlaubten die Franzosen den Corsaires, einer Art staatlich geförderter Piraten, von Mauritius aus gegen die Engländer zu operieren. Diese schauten dem Treiben naturgemäß nicht lange zu, und so wurde die Insel 1810 englische Kolonie.

England beschränkte sich aber im Wesentlichen darauf, die Verwaltung umzustellen; und man hob gegen den heftigen Widerstand der französischen Zuckerbarone die Sklaverei auf. Da sich aber zur gleichen Zeit die Zuckerproduktion vervielfachte, wurden die fehlenden Arbeitskräfte kurzerhand und mit fragwürdigen Methoden aus Indien herbeigeschafft: 1910 waren es schon eine halbe Million. So ist es auch nicht weiter erstaunlich, dass bei den ersten demokratischen Wahlen 1967 die Arbeiterpartei, welche die Interessen der indischen Bevölkerung vertritt, den Sieg davontrug, und bis heute in wechselnden Konstellationen die politische Landschaft dominiert.

Zuckerbarone

Trotz dieser zahlenmäßigen Dominanz der indischen Bevölkerung hat sich - wie schon erwähnt - in dem seit 1968 unabhängigen Land eine einigermaßen demokratische Gesellschaft entwickelt. Die sozialen Unterschiede zwischen der kleinen Schicht der alten Zuckerbarone, denen die Hälfte des bebaubaren Gebietes gehört, und den mehr als 30.000 kleinen Bauern, die sich die andere Hälfte untereinander aufteilen müssen, ist zwar groß, aber das himmelschreiende Elend anderer 3.Welt-Länder gibt es hier nicht.

Die Zuckerproduktion haben 20 franko-mauritianischen Familien, die den Zuckeradel stellen, noch immer fest im Griff, denn die Fabriken gehören ausnahmslos ihnen. Ein Lieferabkommen mit der EU über 500.000 Tonnen (das ist die halbe Jahresproduktion) zu garantierten Preisen mindert die Folgen der Preisschwankungen am Weltmarkt ein wenig, von der auch Kuba, die Zuckerinsel in der Karibik, ein Lied singen kann. Rum wird übrigens auf Mauritius ebenfalls produziert; er kann sich allerdings mit dem kubanischen nicht messen - aber die Mauritianer trinken ihn ohnehin lieber selbst.

Ekstatische Tänze

Mit den Karibik-Inseln gibt es noch weitere Gemeinsamkeiten. Da ist beispielsweise das Kreolische, das Umgangssprache auf Mauritius ist (ähnliche kreolische Mischsprachen werden weltweit von ca. zehn Millionen Menschen gesprochen): Hier hat es sich - da die Voraussetzungen weitgehend identisch waren - sozusagen ein zweites Mal als französisch-afrikanische Sklavensprache entwickelt, völlig unabhängig von Einflüssen aus den südlichen USA und der Karibik. Auch eine Parallele zur karibischen Musikalität findet sich auf der Insel Mauritius: Hier heißt die kreolische Volksmusik Sega, eine ekstatisch-rhythmische Tanzmusik, die bei der Arbeit der Sklaven in den Zuckerplantagen entstanden sein soll.

Die beste Gelegenheit, das mauritianische Völkergemisch zu erleben, ist der zentrale Markt von Port Louis. Bunt, übervoll, betriebsam und nicht immer ganz abendländischen Vorstellungen von Hygiene entsprechend wird hier von Lederwaren bis zu einheimischen Gewürzen alles angeboten. Weitere Sehenswürdigkeiten der Hauptstadt sind der alte Regierungspalast, der noch aus den Zeiten de Labourdonnais stammt, und das englische Fort Adelaide, von dem aus man einen prächtigen Blick über die Stadt genießt.

Die größte Attraktion auf Mauritius ist zweifellos der Garten von Pamplemousse, ein wenig nordöstlich der Hauptstadt gelegen. Ursprünglich eine Gewürzplantage, verwandelte Pierre Poivre, der Nachfolger de Labourdonnais sie allmählich in einen der schönsten und artenreichsten tropischen Gärten der Welt, indem er Pflanzen aus ganz Asien und Ozeanien hier heimisch machte.

Sehenswert ist auch das Grand Bassin im Süden der Insel, das Heiligtum der hier ansässigen Hindus. Das Wasser des Teiches, das die Tempelanlage umgibt, soll es an Heiligkeit mit dem des Ganges aufnehmen können. Alljährlich im Februar findet hier das Maha Shevaratree statt, ein farbenprächtiges Fest zu Ehren des Gottes Shiva.

Am besten wird es wohl sein, sich einen Leihwagen zu nehmen und die Insel und ihre Landschaften selbst zu erkunden. Das Zuckerrohr dominiert zwar (die Zyklone, welche die Insel in schöner Regelmäßigkeit zwischen Jänner und März heimsuchen, verhindern, dass die alten Wälder sich wieder zu entwickeln beginnen), dazwischen gibt es aber immer wieder üppige Vegetation und pittoreske Berglandschaften, die den vulkanischen Ursprung der Insel verraten.

Tauchen am Riff

Die Berge sind mit ihren 800 Metern zwar nicht einmal ein Drittel so hoch wie die auf der Nachbarinsel Réunion, aber zu anregenden Bergwanderungen mit schönen Ausblicken auf die Insel gibt es vielerlei Möglichkeiten; für Extremere ist sogar ein eigener Insel-Kletterführer zur Hand.

Unter den zahlreichen Möglichkeiten zu sportlicher Betätigung, die den Gästen geboten werden, dominiert naturgemäß der Wassersport. Tauchen und Schnorcheln sind besonders attraktiv, da Mauritius fast zur Gänze von einem Korallenriff umgeben ist. Wellenreiten und Hochseefischen sind nur einige Alternativen, und natürlich kann man auch ganz einfach an den phantastischen Stränden Faulenzen.

Unsere Insel verdient es also wirklich nicht, dass mit dem Namen Mauritius nur ein paar Briefmarken assoziiert werden, die zufällig sehr viel Geld kosten. Bleibt nur zu hoffen, dass die Mauritianer in Sachen Tourismus den rechten Weg finden: Denn - Hand aufs Herz - ins Paradies wollen wir doch alle.

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