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Nonkonformistische Künstler in der Sowjetunion: Die Albertina zeigt "Kunst im Untergrund".

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Nonkonformistische Künstler in der Sowjetunion: Die Albertina zeigt "Kunst im Untergrund".

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Kunst hat in Diktaturen einen schweren Stand. 1974 bereitete der KGB einer nicht-genehmigten Freiluftausstellung ein spektakuläres Ende: Als Bauarbeiter verkleidete Mitarbeiter des sowjetischen Geheimdienstes walzten die Exponate mit Bulldozern nieder. Die bald so genannte "Bulldozer-Ausstellung" war der Höhepunkt eines jahrzehntelangen Konfliktes zwischen den nonkonformistischen Künstlern und der Staatsmacht, der erst mit dem Untergang der Sowjetunion endete. Unter dem Titel "Kunst im Untergrund" zeigt die Graphische Sammlung Albertina derzeit eine Ausstellung, die sich der russischen Kunst seit 1953 - dem Todesjahr Stalins - widmet. Papier war zu Sowjetzeiten nämlich ein äußerst günstiges Medium für künstlerischen Ausdruck: Einerseits konnte es schnell verbrannt werden, wenn eine Razzia drohte, zweitens hatten nur Mitglieder des staatlichen Kunstverbandes offiziell Zugang zu Künstlerbedarf, Papier hingegen war leicht zu beschaffen.

Durch die offizielle Kunstdoktrin der Stalinzeit, den Sozialistischen Realismus, waren Rußlands Künstler sowohl von der eigenen avantgardistischen Tradition als auch von der zeitgenössischen Kunst des Westens abgeschnitten. Während der vorübergehenden Liberalisierung unter Nikita Chrustschow, der "Tauwetterperiode", begann sich die russische Kunst wieder zu regen: Eine um 1925/30 geborene Generation von Künstlern orientierte sich vor allem an den stilformen der damaligen westlichen Zeitgenossen: Surrealismus oder abstrakter Expressionismus. In der Albertina im Akademiehof vertreten Valentina Kropivnitskaya, Lidya Masterkova, Vladimir Nemuchin und Oskar Rabin diese Schule.

Eine jüngere, um 1935/40 geborene Generation von Nonkonformisten besann sich auf die Anfänge der Moderne, den russischen Futurismus und den Suprematismus. Künstler wie das Duo Vitaly Komar und Alexander Melamid sowie Alexander Kosolapov (alle in der Albertina vertreten) machten sich spitzbübisch die Strategien der kollektivistischen Reglementierungen zu eigen und ironisierten damit die Propaganda-Ästhetik des Sozialistischen Realismus. Soz Art wird diese Richtung in Anspielung auf die Pop Art genannt. Vor allem Kosolapov wird zum Meister der grotesken Verbindung von Sowjet- und Westästhetik: Lenin und Stalin als Werbefiguren für "Marlboro", statt "McDonalds" prangt unter dem charakteristisch geschwungenen "M" "McLenin's" und der Schriftzug "Malevich" - eine Ikone der russischen Avantgarde - erscheint im "Marlboro"-Design.

Vielleicht war ironischerweise auch die Sowjetmacht mitschuld an dieser speziellen Entwicklung: Weil freie künstlerische Arbeit unter den berüchtigten "Parasiten-Paragrafen" fiel, arbeiteten nämlich viele Künstler als Gebrauchsgrafiker und Buchillustratoren.

Bis 20. Februar, Makartgasse 3, 1010 Wien

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