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Eine Studie in den USA betrachtet das Nachrichtenwesen im Internet äußerst kritisch. Der Siegeszug des Internet als Medium sei nicht aufzuhalten. Gut ausgebildete Journalisten stünden bereit, es zu bedienen.

Wir sind im Netz. Der Umschlagplatz von Nachrichten hat sich von den Zeitungen in das Internet verlagert, schreibt das US-Agenturnetzwerk Porter Novelli in seiner aktuellen Studie The Future of News. Die Nachrichten laufen über Websites wie Wikinews oder in Foren wie Twitter. Geliefert werden Informationen im Umfang von 160 Zeichen oder RSS. Die Expertise von Porter Novelli befasst sich mit der neuen Welt der schnellen, kurzen Nachrichten, dem News-Fastfood, der den für die Demokratie nötigen Qualitätsjournalismus zu verdrängen droht.

Noch immer greifen drei Viertel der über 14 Jahren alten Österreicher regelmäßig zu einer Tageszeitung. Ein guter Wert. Doch wie kräftig auch hier das Pendel in Richtung Internet ausschlägt, belegen ebenfalls die Zahlen der vor wenigen Tagen präsentierten Media-Analyse 08/09. Dieser zufolge nutzen rund 60 Prozent der Bevölkerung mindestens einmal wöchentlich das Internet. Mehr als ein Viertel nutzt das Netz zumindest einmal monatlich für Einkauf oder Lektüre von Zeitungsinhalten, mehr als die Hälfte für E-Mails, und ein Fünftel, um in Newsgroups zu chatten (sich mit anderen auszutauschen, Anm.). Das entzieht Zeitungen ihre Leser.

Bürger filmen ihren Aufstand

Konsumenten haben dank des Internet unbegrenzten Zugang zu Nachrichten, können diese teils ändern, teils herstellen. Nicht immer, aber unter Bedingungen der Zensur jedenfalls zu begrüßen, wie es in der Porter-Novelli-Studie heißt. Etwa während der heurigen Wahlen im Iran. Für den BBC Journalisten John Simpson – er flog 1979 mit Ayatollah Khomeini nach Teheran – seien die Veränderungen durch neue Medien revolutionär. Es gehöre zum Außergewöhnlichsten, was er je erlebt habe, schreibt Simpson, wenn Leute mit Mobiltelefonen ihren Aufstand selbst filmen und so die Nachricht davon verbreiten. Die Menschen auf den Straßen Teherans hätten in den Tagen nach der umstrittenen Wahl keine Reporter und keine Kameraleute mehr gebraucht. Sie hatten ihre Mobiltelefone, filmten und versandten die Beiträge selbst. So auch Simpson: „Wir liefen mit unseren mobilen Telefonen durch die Straßen und ließen den Kameramann im Auto zurück. So bekamen wir außergewöhnliche Bilder auf unsere Handys.“ Aber, so fragt Porter Novelli, sei dann Bürger-Journalismus (citizen journalism) der Journalismus, den die Gesellschaft wünschen kann?

Wohl kaum, denn niemand würde eine Person, die gut mit Bauklötzen umzugehen verstehe, als Bürger-Architekten mit seinem Hauszubau beauftragen. Denn der Lackmustest, wie gut jemand informiert ist, zeige nicht sich darin, „wie viele Fakten und Details nachgebetet werden können, sondern darin, ob Zusammenhang und Sinn verstanden werden“.

Die akustischen Wortspenden, die Bruchstücke und Floskeln an Nachrichten, bergen in sich das Risiko, dass Konsumenten den Schlagzeilen glauben, aber Hintergrund und Zusammenhang eines Vorgangs mangels Vermittlung nicht verstehen können. Content schlägt Kontext, sozusagen. Vergleichbar mit „All you can eat“-Gesellschaften, in denen man zwar reichlich genährt wird, Einzelne aber dennoch mit Mangelerscheinungen zu kämpfen haben. Doch im Überfluss des Kurzen und Neuen steigt dessen Beliebtheit weiter an.

Die Möglichkeit, mit RSS (Really Simple Syndication) nur thematisch ausgewählte und kurze Nachrichten zu erhalten, erfreut sich in den USA steigender Beliebtheit, referiert Porter Novelli: Der Anteil von RSS-Abonnenten stieg in den USA von 2005 auf 2008 von zwei auf elf Prozent an. Der Kritik an mangelnder Professionalität und damit Glaubwürdigkeit ihrer Nachrichten begegnet Wikenews mit Überprüfungen, die es allerdings im Vergleich zu Twitter und Facebook langsamer machen. Und YouTube startete in den USA ein Ausbildungszentrum für Reporter.

Die werbefinanzierten Medien werden in den kommenden Jahre schrumpfen. In den Vereinigten Staaten sind die Auswirkungen bereits deutlich zu spüren, denn Medien sind dort fast vollständig kommerziell ausgerichtet. Die Zeit des personal- und kostenintensiven Journalismus sei mangels Erlösen damit wohl vorbei, folgert Porter Novelli. Aber nicht jene der Qualität im Journalismus, hoffen die Autoren. In neuen „Nachrichten-Ökosystem“ fänden sich genug kluge und lernwillige Leute für qualitativen Journalismus, egal, ob sie in Nischen tätig sind oder Massen erreichen.

Man ist geneigt, das zu hoffen.

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