Spotlight - © Constantin

"Spotlight": Medien müssen aufdecken

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"Spotlight", der diesjährige Oscar-Hauptpreisträger, reüssiert weniger als Film denn als mediengeschichtlicher Weckruf und Anwalt für den Enthüllungsjournalismus.

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"Spotlight", der diesjährige Oscar-Hauptpreisträger, reüssiert weniger als Film denn als mediengeschichtlicher Weckruf und Anwalt für den Enthüllungsjournalismus.

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Der diesjährige Hauptgewinner bei den Oscars überraschte. Das Aufdecker-Drama "Spotlight" machte das Rennen, obwohl der Film kaum Filmgeschichte schreiben wird - ein packend gemachtes und gespieltes Drama nach altbekanntem Hollywoodmuster: Ein kleines Team gegen eine böse Facette Amerikas - und es gewinnt. Das war schon beim 40 Jahre zurück liegenden ebenfalls Oscar-gekrönten Watergate-Drama "Die Unbestechlichen" so: Zwei Reporter der Washington Post deckten damals die Machenschaften der Nixon-Administration auf, was zum Rücktritt des damaligen US-Präsidenten führte.

Diesmal geht es aber nicht ums korrupte Amerika, sondern die hier nicht minder abgründige katholische Kirche in Boston, Massachusetts: Dort nahm anno 2001 der Missbrauchsskandal seinen Ausgang, der bis heute die katholische Kirche beutelt, und der in den USA zum Bankrott mehrerer Diözesen geführt hat. Die journalistischen Aufdeckungen des Spotlight-Teams, die Teil der Redaktion des Boston Globe waren, erhalten durch den Film eine nochmalige Anerkennung. Denn den Mannen (und der Frau) um Spotlight-Chef Robby Robinson kommt das Verdienst zu, die Verschwiegenheit durchbrochen zu haben, welche die in vielen Teilen der USA mächtige katholische Kirche jahrzehntelang praktizierte, wenn es um den sexuellen Missbrauch ihres Bodenpersonals ging.

Das System aufgedeckt

Dabei ging es den Aufdeckern gar nicht so sehr darum, alle Missbrauchstäter hinter Schloss und Riegel zu bringen. Sondern die Spotlight-Truppe zeigte, dass die Kirchenleitungen von den Taten wussten und die Missbraucher nur von einer Pfarre in die nächste schickten. Allein in der Erzdiözese Boston gab es etwa 90 derart "gefallene" Priester, und Kardinal Bernard Law, der zuständige Erzbischof, wusste davon.

Dass dem so war, legte Boston Globe 2001 offen - nicht zuletzt, weil der neue Chrefredakteur Marty Baron Druck machte. Kardinal Law musste 2002 die Diözese verlassen, er wirkte bis 2011 als Erzpriester der Basilika Santa Maria Maggiore in Rom. Holzschnittartig werden die Protagonisten wie Law, aber auch die Journalisten in "Spotlight" gezeichnet. Dennoch bleibt der Film gerade für Katholiken beklemmend, und die Frage, wie und warum das so lange vertuscht werdenen konnte, stößt auch im Land eines Kardinal Groër bitter auf.

Michael Keaton spielt Robby Robinson authentisch, Liev Schreiber den Boston Globe-Chef Baron nicht minder. Auch die anderen des filmischen Spotlight-Teams, etwa Mark Ruffalo und Rachel Mc-Adams, sowie Stanley Tucci als gar nicht glatzköpfiger Opferanwalt lassen ihre Charaktere gleichfalls gut zur Geltung kommen.

Regisseur Tom McCarthy legt einen soliden Film vor, dessen Verdienst aber nicht das Filmische ist, sondern die politische Botschaft, wie wichtig Enthüllungsjournalismus für eine Gesellschaft bleibt. Heutige Medien - dies-wie jenseits des Atlantiks - leisten sich kaum mehr solche Teams, wie sie der Film zeigt. So mag der diesjährige Oscar weniger dem besten Film als der Erinnerung an diese gesellschaftliche Notwendigkeit geschuldet sein.

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