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In Hugenbergs Fußstapfen?
Bundesinnenminiister Lücke gab die Situation im deutschen Pressewesen zwar ebenso korrekt wie zutreffend wieder, als er Anfang Juli dm Bundestag auf eine Anfrage der FDP erklärte, die fünf größten Zeitungen Deutschlands hätten nur 41,5 Prozent der Auflage der deutschen Tageszeitungen: Denn 31,5 Prozent davon, also mehr als 75 Prozent, stellt der Springer-Konzern, gegen dessen Tendenzen sich die Anfrage gerichtet hatte. Daß sich der Bundestag damit zufrieden gab, zeigt die Bedrohlichkeit der Situation. Kein Politiker ist mehr ernsthaft bereit, einen Alleingang gegen Axel Springer zu wagen, dessen beherrschende Stellung folgende Aufstellung zeigt. Von den Tageszeitungen erscheinen 39 Prozent, von den überregionalen Zeitungen 81,5 Prozent, von den Sonntagszeitungen 90 Prozent, von den Radiozeitungen 48 Prozent und von den Wochen- und Tratschblättern 28 Prozent bei Axel Springer. Zum Vergleich: Der Süddeutsche Verlag, in dem die „Süddeutsche Zeitung“ erscheint, hat 2,8 Prozent, die Frankfurter Sozietät mit der „Frankfurter Allgemeinen“ 2,7 Prozent. Die Konzentration im deutschen Pressewesen hat zweifelsohne eine bedrohliche Zuspitzung erfahren. Der Anteil der Springer-Presse ist ständig im Steigen, obwohl von dort seit Jahren keine Ausdehnungspolitik im Großen mehr betrieben wird. Die Schwierigkeiten der kleineren deutschen Zeitungen werden in dem Maß noch zunehmen, in dem das Anzeigengeschäft rückläufig ist. Schon heute sind die großen deutschen Zeitungen kleiner in ihrem Umfang geworden.
Amüsement statt Information
Die Ursachen dieser Entwicklung Bind einmal darin zu erblicken, daß
das Fernsehen Nachrichten und Informationen in einer ungleich eindringlicheren Art vermittelt, als es Zeitungen können. Das weiß auch Axel Springer, der daher seit Jahren versucht, ein von dem von ihm weitgehend beherrschten Zeitungsverlegerverband gegründetes Fernsehen zu installieren. Zum anderen steht eine allgemeine, auch in anderen Ländern anzutreffende Tendenz zu Boulevardblättern, die ein Minimum von politischer Information neben Sensationen bieten und damit dem Konsumbedürfnis der Masse entsprechen. Springers „Bild“ mit 3,4 Millionen Auflage ist vielleicht die genialste Leistung auf diesem Gebiet: Sie spricht mit ihrer eigentümlichen Mischung von Sex, Spießermoral und Nationalismus haargenau die deutsche Klednbürger-mentalität an und wurde damit zum größten Zeitungserfolg auf deutschem Boden. Der Erfolg von „Bild“ und die im Ganzen steigenden Auflagenzif-fern der deutschen Presseorgane zeigen, daß es sich nicht um einen durch das Fernsehen bedingten Schrumpfungsprozeß handelt, sondern um eine eChte Konzentration. Der Leser erwartet heute offenbar in seiner Zeitung weniger Informationen als Amüsement Er läßt sich allenfalls ansprechen und eigene Ansichten bestätigen, aber er bildet nicht mehr seine Meinung durch die von ihm gelesene Zeitung. Das war strenggenommen immer so. Das große politisch neutrale Blatt hat es zwar immer gegeben, doch war die Weimarer Republik die Zeit der parteipolitisch festgelegten Blätter. Von ihnen bezog man seine politische Meinimg bezdehungswedise ließ sich die eigene bestätigen. Der politische Einfluß der unabhängigen Blätter war immer gering und ist es heute noch.
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