Trimedialer Einheitsbrei
Die Zusammenlegung der Radio- und der TV-Religionsabteilungen des ORF ist mehr als ein Symptom für die Zertrümmerung von Radiokultur im Land. Ein Gastkommentar.
Die Zusammenlegung der Radio- und der TV-Religionsabteilungen des ORF ist mehr als ein Symptom für die Zertrümmerung von Radiokultur im Land. Ein Gastkommentar.
Damals, vor 50 Jahren, ungefähr. Aus dem Radio kamen Blasmusik, „Autofahrer unterwegs“ und Belangloses, genauer: mehr oder weniger politische Belangsendungen mit klingenden Titeln. Österreichisches Radio war langweilig; im Unterschied zu Radio Luxemburg, wo es die aufregende Musik der Beatles gab. Wenige Jahre später war das österreichische Radio, der ORF, super spannend – nach dem ORF-Volksbegehren 1964 und der Reform des ORF ab 1967 durch Gerd Bacher. Musik, kritische, oft visionäre Sendungen – ich erinnere mich z. B. an ein Interview mit einem Historiker, der erklärte, die Kriege der Zukunft würden von Terroristen geführt. Manchen Menschen durfte ich später persönlich begegnen.
Hubert Gaisbauer, der die Redaktion der legendären Ö3-Musikbox geleitet hatte, engagierte mich 1989 für die Ö1-Religionsabteilung. Philosophie hatte ich studiert und auch dazu publiziert. Radiomachen hab ich als Handwerk gelernt, noch mit echter Schere, mit der man auf Zehntelmillimeter genau Tonbänder schneiden musste, um Versprecher und andere störende Nebengeräusche zu entfernen. Mittlerweile läuft all das digital, doch Radio ist noch immer „Kino im Kopf“. Radiomachen heißt malen mit Tönen, Geräuschen, Worten. Man braucht nicht allzu viel Technik – ein gutes Mikrofon und Aufnahmegerät, ein gutes Schnittprogramm, einen guten Tontechniker für die Fertigstellung der Sendung. Ja, und gute Ohren und gute Kopfhörer. Im Unterschied zum Fernsehen, wo die Optik, das Bild, alles dominiert, macht beim Radiohören jedes kleine Nebengeräusch einen Unterschied. Wie komplex Radiomachen ist, soll den Zuhörenden nicht auffallen. Deswegen sind manche sehr erstaunt, wieviel Arbeit in einer Sendung steckt.
Vor allem in jenen, wo nicht einfach geplaudert wird, sondern wo mit Stimmen von Experten und akustischer Atmosphäre über Inhalte und Orte erzählt wird und differenzierte mentale Bilder entstehen. Dazu braucht es Sachkenntnis, Empathie, sprachliche Fähigkeiten. Fürs Radio ist Sprache das Medium – nicht bloß als „Content-Träger“, sondern um entscheidende Nuancen und Kontexte zu vermitteln.
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