Medienfreiheit für rechte Extremisten

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Rechtsextreme missbrauchen die Internetfreiheit im Web 2.0 für ihre Propaganda und nutzen zunehmend Social Media. So umgehen sie das Verbotsgesetz.

Das Internet ist für Rechtsextreme und Neonazis die perfekte "Propagandawaffe“, wie sie es selbst gerne nennen: Das billige und anonyme Medium bietet die Möglichkeit zum globalen Austausch. Neben den einschlägigen Foren bedient sich die rechte Szene zunehmend großer Portale wie Youtube oder Facebook, um ihre Inhalte zu bewerben, zu kommunizieren und zu konsumieren. In den USA und einigen europäischen Ländern unterliegen einschlägige Äußerungen dem Recht auf Meinungsfreiheit. Deshalb befinden sich rechtsextreme Inhalte auf Servern in diesen Ländern. Doch auch von Österreich oder Deutschland aus lässt sich problemlos auf sämtliche neonazistische Angebote zugreifen. Vor allem Jugendliche sind im Visier der digitalen Propaganda. Rechtsextreme Musik und Videos sollen junge Leute in die Szene locken.

Digitales Paradies für Rechtsextreme

Während auf der deutschen Website von Amazon nur vereinzelt CDs einschlägiger Bands zu finden sind, können Interessenten unter amazon.com solche Artikel von Österreich oder Deutschland aus bequem bestellen. Klickt man bei Youtube auf einen eindeutig neonazistischen Musikvideo-Titel, erscheint zwar eine Meldung, dass "der folgende Inhalt als potenziell beleidigend oder unangemessen eingestuft wurde.“ Der Zugang steht aber allen Usern frei. "Youtube spielt als Propaganda-Medium eine wichtige Rolle. Die Kombination von rechtsextremen Liedtexten und Bildmaterial aus der NS-Zeit oder aktueller neonazistischer Symbolik wirkt insbesondere auf Jugendliche sehr manipulativ“, sagt ein Mitarbeiter des Dokumentationsarchivs des Österreichischen Widerstandes (DÖW), der namentlich nicht genannt werden will. Von rechtsextremen Demonstrationen erscheinen laut DÖW oft kurz danach Videos im Netz. "Wenn neonazistische Postings bei Youtube nicht gleich entdeckt werden, ist es sehr schwierig, dagegen vorzugehen“, erklärt Peter Gridling, Direktor des Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung. Versandhändler aus der Szene vertreiben Mode mit rechtsradikalen Sprüchen und Symbolen: Das Angebot reicht von Strampelanzügen bis hin zu Damenunterwäsche. "Die rechte Szene in Deutschland und Österreich wird immer cleverer und perfider in ihrer Verwendung von neonazistischen Codes und Symbolen, um den Strafbestand der Wiederbetätigung zu umgehen. Es wächst die Gefahr, dass so der rechtliche Graubereich erweitert wird“, meint Internet-Rechtsexperte Matthias C. Kettemann von der Universität Graz. Das DÖW berichtet von der Vereinnahmung populärer Symbole und Zeichen der Unterhaltungsindustrie: "Durch Comicfiguren oder Coversongs, die mit einschlägigen Texten unterlegt sind, versucht die Szene besonders bei einem jugendlichen Publikum, Sympathien zu gewinnen.“

Social Networking in der rechten Szene

Ein aufkeimendes Betätigungsfeld für Neonazis sind soziale Netzwerke. Im Verfassungsschutz-Bericht 2011 ist von einer vermehrten Nutzung durch den organisierten Rechtsextremismus die Rede. Das DÖW hat im vergangenen Jahr 30 einschlägige Internetseiten sowie sieben derartige Facebook-Gruppen "mit Österreich-Bezug“ ausfindig gemacht.

Nicht immer geben sich Rechtsextreme in den sozialen Netzwerken gleich zu erkennen. Weil beim "Sharing“ gepostete Inhalte von ihrer Quelle getrennt werden, sind rechtsextreme Quellen nicht mehr erkennbar. In Deutschland konnten Neonazis anonym eine Kampagne gegen Kindesmissbrauch entern. So haben sie sehr viele "Likes“ auf Facebook von Leuten erhalten, denen nicht bewusst war, wen sie damit unterstützen. Auch die katholische Kirche ist vor Rechtsextremisten im Internet nicht gefeit. Kreuz.net kommt als katholisches Nachrichtenportal daher, ist aber ein anonymer Kirchenblog mit rechtsextremen, antisemitischen, islamfeindlichen und homophoben Inhalten. Kardinal Christoph Schönborn wurde hier ärgstens beschimpft, nachdem er einen homosexuellen Kirchengemeinderat bestätigt hatte. Rechtliche Schritte gegen Kreuz.net sind nicht möglich, weil die Server in Kanada liegen. Das rechtsextreme Online-Lexikon Metapedia mit seinen geschichtsrevisionistischen Inhalten präsentiert sich im Stil von Wikipedia, wodurch es leicht zu Verwechslungen kommen kann. Den Behörden ist durch die unüberschaubare Menge einschlägiger Inhalte eine intensive Kontrolle nicht mehr möglich. "Zudem nutzen Rechtsextreme Verschlüsselungssoftware, um unentdeckt zu bleiben“, sagt Verfassungsschutz-Direktor Gridling.

Bewusstsein schärfen statt Gesetze verschärfen

Durch das Gefühl der Anonymität im Internet lassen sich leichter geächtete Positionen vertreten. "Die mediale Verbreitung in Mainstream-Portalen führt zu einer wachsenden Desensibilisierung“, warnt Internet-Rechtsexperte Kettemann. Für eine globale Filterung rechtsextremer Inhalte spricht er sich nicht aus. Kein Gericht könne etwa ein T-Shirt mit der Zahl "18“, welche die Initialen Hitlers symbolisieren soll, für illegal befinden. "Daher spielen der Verfassungsschutz und eine lebendige Zivilgesellschaft eine wichtige Rolle als Überwachungsorgane. Die User sollten einschlägige Zeichen sofort melden, damit diese gelöscht werden“, so Kettemann. Bei der Internet-Meldestelle Stopline sind 2011 österreichweit 195 Hinweise auf neonazistische Inhalte eingegangen, wovon sich 41 als illegal erwiesen haben. Ein Beispiel für ein erfolgreiches Internetportal gegen Rechtsextremismus ist netz-gegen-nazis.de: Die Plattform wurde 2007 von der deutschen Wochenzeitung Die Zeit initiiert, erreicht monatlich eine Million Seitenaufrufe und hat 2010 den CIVIS - Europas Medienpreis für Integration - erhalten.

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