Mehr als einfach nur Dicke

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Was der kolumbianische Künstler Fernando Botero in seinen ironisch und abweisend wirkenden, voluminösen Figuren mittransportierte und wie ein aktueller Zyklus zu Abu Ghraib ihn in neuem Licht darstellt: Das BA Kunstforum will einen zweiten Blick auf sein Werk anregen.

Ob Birne, Ballerina oder Botschafter - bei Botero sind alle Figuren voluminös, sie scheinen den Bildrahmen zu sprengen, auf den ersten Blick haben sie eine Anmutung von Ironie und Persiflage. Doch den Ausstellungsmachern des Bank Austria Kunstforums, das nun die erste umfassende Präsentation seines Werkes in Österreich zeigt, geht es um den zweiten Blick auf das Werk des hoch gehandelten kolumbianischen Künstlers Fernando Botero.

Ja, in den 70 Gemälden aus fünf Jahrzehnten sind fast alle Figuren prall, voluminös würde Botero sagen, der dick gar nicht gerne hört. Doch heiter und harmlos wirken sie nur vordergründig, wer genauer schaut, sieht, dass die kleinen Schweinsaugen der Kolosse, ob sie nun am Jahrmarkt Musik spielen, nähen, tanzen oder an der Hand der Mutter die Straße entlanggehen, Teilnahmslosigkeit und emotionale Isolation widerspiegeln. Da spielen Musiker nebeneinander, doch jeder starrt vor sich hin, ist in Anonymität versunken. Wenn sich auch noch so viele Tanzende auf einer Fläche bewegen, dass man förmlich Angst bekommt, weil so viele runde Leiber einander - und das Bild - schier erdrücken, die meisten schauen aneinander vorbei, Gemeinsamkeit kommt keine auf. Dazu malt Botero scheinbare Idyllen des Alltags: ein Picknick, in dessen Hintergrund jedoch der Vulkan ausbricht. Es herrscht nur eine "angebliche Gefälligkeit“, wie Kunstforum-Direktorin Ingried Brugger dies nennt.

Bilder zu Abu Ghraib

Leichter lesbar wird Botero, wenn er Bilder zu politischen Vorkommnissen in seiner Heimat malt - oder zu Abu Ghraib. "Ein Maler muss auf Situationen reagieren“, sagte Botero bei seinem Besuch in Wien. "Er muss sich auf Aktualität und auf das, was in den Zeitungen steht, beziehen.“ Und so malte er 2004/05 Gefangene des irakischen Kriegsgefangenenlagers. "Hier hat Botero viel direkter und schneller gemalt, er wollte seinen Zorn abarbeiten“, sagt Kuratorin Evelyn Benesch im Interview, und Brugger stellt in ihrem Katalogtext fest, dass "gerade diese Bilder manches zu revidieren vermögen, was an angeblicher Gefälligkeit in Boteros Werk häufig moniert wird. Spiegelt man Abu Ghraib am Werk, so werden die Ironie und der Zynismus, die Boteros Bilder und Skulpturen zu überdecken scheinen, hinfällig - oder anders gesagt, sie kippen in das künstlerische Kalkül einer ästhetischen Gemeinheit.“ Auch abgesehen von den Abu-Ghraib-Bildern und jenen zu Massakern und Naturkatastrophen in seiner Heimat hofft man, "dass die Besucher sehen, dass es mit der Leichtigkeit und Heiterkeit in Boteros Werk nicht ganz so einfach ist“, sagt Benesch zur FURCHE.

Vergleichsweise harmlos wirken bei Botero andererseits die Stierkämpfe, deren großer Fan er ist. Wer immer das Opfer ist, ob Stier oder Mensch, es scheint nur zu schlafen. Hauptthema Boteros ist auch die katholische Kirche, anfangs hatte er, wie er zitiert wird, Bischöfe wegen der Farbenpracht gemalt, denn dank ihr "malen sich die Bilder wie von selbst“. Er erzählt in seinen Werken von der Frömmigkeit der einfachen Leute, aber auch von Würdenträgern, die schnell lächerlich wirken, wenn er einen Priester den Kopf mit einem Mini-Schirm schützen lässt oder wenn mehrere unsportlich wirkende Geistliche wie eine Fußballmannschaft posieren.

Botschafter inmitten der Stauden

Nicht nur, dass Botero seine Inspiration für dicke Leiber aus der Barock- und Renaissancemalerei bezieht, gerne malte er auch Paraphrasen auf Bilder aus früheren Epochen der Kunstgeschichte. Ob Velásquez, Rubens, Goya oder Tizian Vorbild hierfür sind, seine Werke haben stets die gleiche prunkvolle Aufmachung, doch in Form und Farbgebung sowie in der ironischen Haltung besteht ein großer Unterschied. So sitzt auch Boteros Präsident wie Velásquez’ Herrscher stolz auf dem Pferd, die Proportionen und die Bananenplantage als Hintergrund lassen ihn jedoch als Witzfigur erscheinen. Ebenso wirkt der britische Botschafter inmitten der Bananenstauden und mit einem winzigen Fähnchen in der Hand ziemlich verloren.

Er male "lateinamerikanische Wirklichkeit, umgeformt natürlich“, wird Botero in der Ausstellung zitiert. "Es ist weder ein touristisches Plakat, noch eine folkloristische Darstellung. Es ist etwas viel Tieferes. Es ist eine von mir neu erfundene Welt.“ Möge der Besucher der Schau, die auch den hoch interessanten Film von Peter Schamoni zeigt, in dieses "Universum Botero“, wie Kuratorin Benesch es nennt, eintauchen.

Fernando Botero

Bank Austria Kunstforum, Freyung 8, 1010 Wien

bis 15. Jänner 2012, täglich 10-19, Fr bis 21 Uhr

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