Mehr als imposante Effekte

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Gleich ob bei "Il Trovatore“, "Tosca“ oder "Aida“ - in den letzten Jahren hatte man bei den Seebühnen-Produktionen der Bregenzer Festspiele nicht selten den Eindruck, dass spektakuläre Effekte und inszenatorische Ideen die eigentliche Oper ins Abseits gedrängt hatten. Umso größer die Überraschung in diesem Jahr bei Umberto Giordanos "Andrea Chénier“: Hier wurde auf eindrückliche Art bewiesen, dass große Oper und showträchtiges Spektakel hervorragend ineinander greifen können.

Imposant wie stets das Bühnenbild: ein 24 Meter aus dem See emporragender Torso, inspiriert von einem historischen Gemälde: "Der Tod des Marat“ von Jacques-Louis David - und damit auch gleich ein enger zeitlicher Bezug zu Giordanos Oper, die die Dreiecksgeschichte um den historischen Dichter André Chénier, die verarmte Aristokratin Madeleine und den vom Diener zu einem Haupt der Französischen Revolution aufgestiegenen Gérard thematisiert. Marat war ein Zeitgenosse von Chénier; der Dichter hatte einst eine Ode auf die Mörderin des Marat verfasst. Der 60 Tonnen schwere Kopf kann sich öffnen und samt einem Spiegel, einem Buch und einem Brief, den der tote Marat in Händen hält, vielfach bespielt werden: Stuntmen tanzen auf dem Kopf des Torso in schwindelerregenden Höhen, springen von dessen Schulter in den See, seilen sich wagemutig auf andere Spielflächen ab.

Auch ruhige und intime Momente

Doch es sind eben nicht nur die Showelemente, die beeindrucken, sondern die Tatsache, dass Regisseur Keith Warner in diesem von David Fielding entworfenen grandiosen Bühnenbild sich aufgesetzte Ideen versagt, vielmehr die Handlung schlüssig als solche auf die Bühne bringt - und es sogar schafft, in diesen enormen Dimensionen für ganz ruhige und intime Momente zu sorgen.

Dann dürfen auch einmal die wunderbaren Melodien in den Vordergrund treten, von Ulf Schirmer am Pult der superb verstärkten, differenziert musizierenden Wiener Symphoniker (aus dem Festspielhaus) mit großer Spannung und Intensität realisiert. In der - trotz Regens während des Tages vollkommen bei Trockenheit über die Bühne gegangenen - dritten Aufführung am 23. Juli hatte sich erstmals die "zweite“ Besetzung zu bewähren: Arnold Rawls war der ein wenig trocken timbrierte, aber mit souveränen Spitzentönen auftrumpfende Titelheld, John Lundgren ein mächtig sonorer Gérard mit Expansionskraft und Amanda Echalaz eine differenzierte, zu blühenden Phrasen und Höhen fähige Maddalena. Keinerlei stimmliche Ausfälle hat es auch im sonstigen kompetenten Ensemble um Krysty Swann (Bersi), Frederika Brillembourg (Gräfin Coigny und Madelon), John Graham-Hall (Incredibile) und Federico Sacchi (Roucher) gegeben.

Diese "Andrea Chénier“-Produktion bietet Imposantes für eingefleischte Opernliebhaber, ebenso wie für jene, die der spektakulären Effekte wegen nach Bregenz kommen.

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