Mehr Entertainment geht nicht

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Jetzt ist der Festspielsommer gerade erst zu Ende gegangen, schon sitzt die Tischgesellschaft wieder in Wien. Roland Schimmelpfennig hat sich für die Uraufführung von "Der Komet“ (Autorin des Stücks ist seine Frau Justine del Corte) kräftig bei Hofmannsthals "Jedermann“ bedient. Statt der Salzburger Jedermann-Rufe ertönt allerdings im Wiener Akademietheater eine Brunftmuschel, und wir befinden uns inmitten einer verworrenen Beziehungsdramödie. Elisabeth (Sylvie Rohrer) möchte zum zehnten Jahrestag ihr Hochzeitsgelübde mit Arthur (Fabian Krüger) erneuern und beschwört dafür die Vergangenheit herauf. Alles soll so sein wie damals, selbst die Kleider und der Lippenstift stimmen exakt überein. Auch der Bräutigam lässt zum zweiten Mal nichts anbrennen, Nane (in herrlicher Spiellaune Barbara Petritsch) ist wieder sturzbetrunken, Anna (Dorothee Hartinger) und ihr "prächtiger Sprengkörper“ sehnen sich immer noch nach der ganz großen Liebe, und Gregor (Martin Reinke), die kurze Affäre der Braut, hat wieder den Blues. Der Beziehungsreigen dreht sich immer schneller und birgt einiges an Situationskomik und geschliffenem Wortwitz in sich. Langsam beginnt das wiederholte Leben aber aus dem Ruder zu laufen, verdrängte Lebenslügen und Verfehlungen holen die ausgelassene Gästeschar ein, und selbst der längst verstorbene Lothar (Martin Schwab als kauziger Untoter) kehrt aus dem Jenseits zurück.

Enthemmte Brunftgemeinschaft

Nach der Pause wird aus der lustigen Hochzeitsgesellschaft eine enthemmte Brunftgemeinschaft, die nach mehr "Entertainment“ kreischt und sich weiter in Ekstase säuft. Sexuelle Anspielungen, psychoanalytische Querverweise und religiöse Analogien, vom Apfelbaum im Bühnenhintergrund bis hin zu Schlangen und Hirschgeweihen: sprachlich und szenisch ist das Stück voll von Metaphern und Allegorien. Schimmelpfennig erschafft eine Seifenoper, die zu Beginn noch bedächtig vor sich hin plätschert um sich alsbald zur perfiden Reality-Show hochzuarbeiten. Die bildgewaltige Sprache kippt dabei viel zu oft ins Pathetische, auch wenn sie von einigen aus dem Ensemble (allen voran Petritsch und Schwab) gar meisterlich vorgetragen wird. Insgesamt wirkt das ganze Spiel doch viel zu aufgesetzt.

Zu guter Letzt siegt der Todestrieb auch diesmal wieder über die Lebenslust. Das Theater und seine Vergänglichkeit, die Liebe und ihre Lügen, Jugend, Tod und Teufel, Dionysos, Jedermann und Freud - Schimmelpfennig und del Corte lassen in ihrer Inszenierung wirklich nichts aus. Mehr Entertainment geht nicht.

Weitere Termine

21., 24. September, 10., 15., 21. Oktober

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