Mehr Sinn für den Bodenschatz Wasser

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In der östlichen Steiermark hat sich eine ganze Region dem kostbaren Nass verschrieben. Ein Beispiel, das im wahrsten Sinne des Wortes Schule machen soll.

Hier liegt der "Bodenschatz Wasser" für Wien, Graz und die Oststeiermark, hier hat sich dank des Wassers eine mächtige Industrie entwickeln können, hier ist das Lebenselement allgegenwärtig: in den Bezirken Leoben, Bruck an der Mur und Mürzzuschlag soll das nachhaltige Regionalentwicklungsprojekt "Herausforderung Wasser" künftig große Teile der Bevölkerung erfassen und die Bevölkerung aktiv mit einbinden.

Was möglich ist, zeigt ein bereits mehr als zehn Jahre altes Projekt im Bereich Langenwang im Bezirk Mürzzuschlag. Mehrere unheilvolle Hochwässer in kurzen Abständen waren der Grund, andere Wege zu gehen: nicht die Betonverbauung, sondern das innere Wesen des Wassers wurde in den Mittelpunkt gestellt. "Ökologischer Hochwasserschutz" - ein bisher als unvereinbar geltendes Gegensatzpaar - hieß das Zauberwort.

Als Grundlage dienten die Erkenntnisse des oberösterreichischen Försters und Naturbeobachters Viktor Schauberger. "Einen Fluss reguliert man nicht von seinen Ufern aus, sondern von innen her, vom fließenden Medium selber", sagte der oft verkannte Vordenker, der schon in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts vor den Folgen der Flussbegradigung eindringlich gewarnt hatte. So wurden in der Mürz an mehreren Stellen Blocksteine nach bestimmten Systemen angeordnet, um die Strömungsgeschwindigkeit im Sinne des Gewässers zu beeinflussen. Konkret wird dadurch die Fließgeschwindigkeit in der Gewässermitte erhöht und am Außenufer verringert. So können auf der einen Seite Uferzerstörungen und auf der anderen Seite Schotterbänke, die unter Umständen auch mit Baggern geräumt werden müssen, vermieden werden. Am strömungsschwächeren Flussufer ergeben sich Laichmöglichkeiten für Fische. Wenn eine Ufersicherung nötig erschien, wurde diese ganz im Sinne des "naturnahen Wasserbaus" mit Holz und Wurzelstöcken aus dem Auwald durchgeführt und auf massive Steinverbauungen weitgehend verzichtet. Mit Strömungslenkorganen aus Holz und Stein sollte gewährleistet werden, dass im Hochwasserfall alle Flussarme frei blieben.

Natürlicher Hochwasserschutz

Der Erfolg gab dem Projektteam der Baubezirksleitung Bruck an der Mur recht: Schon wenige Monate nach Projektbeginn kam es zu einem "hundertjährlichen Hochwasser", das - im Gegensatz zu allen anderen Regionen - in diesem Bereich und mehrere Kilometer flussabwärts keine Schäden verursachte. Beim nächsten großen Hochwasser 2002 ergab sich dasselbe Bild.

Besonders die ÖBB waren 1997 der große Nutznießer: "Durch dieses Projekt wurde die Überflutungsgefahr minimiert", erklärt Franz Potocsnyek vom Bahnhof Leoben. "Die Lagerkonstruktion der Brücke ist sehr filigran. Bei großem Hochwasser hätte es zu Verklausungen kommen können. Wir hätten umfangreich sanieren und die Südbahn wochenlang sperren müssen."

"Ökologisches Wassermanagement" - das neben Hochwasserschutz auch die Themen Wasserqualität, die Gesundheit und die Medizin einschließt - ist aber nur einer von mehreren Hauptaspekten des Wasserprojektes Obersteiermark. Weiters geht es um den "Wirtschaftsfaktor Wasser", um "Wasserkreislauf und Wasserhaushalt" sowie um "Besinnungsbildung", insbesondere in Schulen. "Damit mir etwas überhaupt bewusst wird, muss ich mich zuvor besinnen", erklärt Wasserkenner Otmar Grober von der Baubezirksleitung Bruck an der Mur, der schon beim Hochwasserschutzprojekt bei Langenwang eine wichtige Rolle spielte.

Beeindruckend ist jedenfalls die Liste des Unterstützerkomitees: Sie reicht von hochrangigen Vertretern in der Region ansässiger Industriebetriebe wie Böhler Edelstahl, voestalpine Donawitz, Brauerei Göss oder der Papierfabrik Norske Skog, über die Sektionsleiter Wasser und Forstwesen im Umweltministerium bis hin zu allen drei betroffenen Bezirkshauptleuten, vielen Bürgermeistern, dem Landesschulratspräsidenten sowie den drei Bezirksschulinspektoren.

Ziel ist es, über die Wasser-Erlebnis-Region "H2ochsteiermark" die Bewusstseinsbildung für einen nachhaltigen Umgang mit Wasser zu fördern. Es ist geplant, pro Bezirk mindestens eine "Wasserschule" einzurichten -, die im Rahmen ihrer schulautonomen Planungen den besonderen Schwerpunkt auf Wasser legt. Ab dem kommenden Schuljahr sollen sich rund 80 Schulen in einem ersten großen Projekt mit dem Thema Wasser beschäftigen. Die "Wasserpädagogik" wird ebenso aus der Taufe gehoben, um ihr einen sehr weiten Raum zu widmen. Mehrere Diplomarbeiten zum Thema Wasser sind über die am Projekt beteiligten Betriebe bereits am Laufen. "Ich möchte dem Wasser so begegnen wie jedem Menschen guten Willens. Wenn es uns nicht gelingt, die Verbindung von Wasser mit Menschen und Menschen mit Wasser herzustellen, so werden wir wahrscheinlich Probleme bekommen", ist sich Grober sicher.

Einbindung der Bevölkerung

Bei der Auftaktveranstaltung Ende Jänner war der Veranstaltungsraum im Kapfenberger Hotel Böhlerstern mit rund 350 Menschen übervoll. Von Anfang an soll die Bevölkerung eingebunden werden und in vielfältigen Projekten mitreden. Dem "Überlebensmittel" Wasser soll "mehr an Wert, insbesondere Wertschätzung und Bedeutung" verliehen werden. So warnte Wilhelm Ripl, langjähriger Leiter des Fachgebietes Limnologie am Institut für Ökologie an der TU Berlin, vor massiven Eingriffen in den Wasserhaushalt und die Vegetation. Dem könne man nur entgegenwirken, wenn man einerseits Rahmengesetze auf der Basis des ökologischen Imperativs (analog zum Kategorischen Imperativ Kants) schafft, andererseits müsse die Verantwortlichkeit von Brüssel zurück in die Region getragen werden.

Wasser ist der Urquell des Lebens, für Klassiker wie Platon oder Heraklit stand das Wasser im Mittelpunkt ihrer Philosophie. Drastisch drückte Naturforscher Schauberger die Notwendigkeit aus, sich an der Schöpfung zu orientieren: "Wir müssen die Natur zuerst kapieren und sie dann kopieren." Nachsatz: "Sonst werden wir krepieren."

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