Mehr tun als die Pflicht

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Gedanken von dolores m. bauer über die Grundlagen der Zivilgesellschaft, das Thema der 8. GLOBArt-Academy im Kloster Pernegg.

Natürlich ist der Begriff "Zivilgesellschaft" inzwischen schon wieder zu einem ziemlich abgelutschten Schlagwort verkommen, wie es heutzutage allen solchen und ähnlichen Begriffen durch medialen Übergebrauch sehr schnell passiert. Nichtsdestoweniger: Wo "Zivilgesellschaft" gelebt wird, wo Menschen alleine oder in Gruppen, Bewegungen mehr tun als ihre Pflicht, wo Menschen alleine oder gemeinsam zivilen Ungehorsam üben und den Verlockungen der nackten Konsumgesellschaft, des Immer-Mehr-Haben-Müssens widerstehen und auch den Nächsten, die Nächste im Blick und vielleicht sogar an der Hand haben - überall dort passiert Zivilgesellschaft, oder, wenn man es anders sagen will, christliche Nächstenliebe. Und das entwickelt sich trotz medialer Brutalisierung und jenseits aller schlimmen Fernsehbilder an immer mehr Orten der Welt; und dort, wo es organisiert ist, gibt es sogar globale Vernetzungen zwischen den Menschen, Gruppen und Bewegungen.

Neuartige Beziehungen

Es ist daher durchaus richtig, dass jene Menschen, die die globart-Academy dieses Jahres angedacht und vorbereitet haben, als Leitmotiv den Titel " Zivilgesellschaft - die Herausforderung" gewählt haben. Auf dem Cover des Programms wird aus Jean Zieglers Buch "Die neuen Herrscher der Welt und ihre globalen Widersacher" der Satz zitiert: "Die planetarische Zivilgesellschaft ist der Ort, an dem sich neue soziale Bewegungen formieren, neuartige Beziehungen zwischen Menschen und Nationen aufkommen und über Welt und Gesellschaft im Kleinen wie im Großen neu nachgedacht wird - fernab der erstarrten Lehrsätze des herrschenden Dogmas."

Im Hintergrund dieser thematischen Entscheidungen standen einige Grundüberlegungen: Um fähig zu sein für die Würde des Menschen einzutreten, sich für Humanität im Alltag und für ein friedliches Miteinander einzusetzen, braucht es sozialen Mut: die persönliche Meinung auszusprechen, auch wenn es Nachteile bringen sollte; zur eigenen Überzeugung zu stehen, sich zivil und gewaltfrei mit Andersdenkenden auseinanderzusetzen; einzugreifen, wenn die Rechte des Nächsten verletzt werden; Verantwortung für sich und das Ganze zu übernehmen. Mit zivilem Mut riskieren wir natürlich den Bruch mit der Gleichgültigkeit, was schwer geahndet werden kann, aber wir treten damit für mehr Menschlichkeit ein. Zivilcourage ist der große Mut zum kleinen Widerstand, wie auch zum privaten und öffentlichen Protest gegen die Gefährdung unserer Lebenswelt.

Die Festrede am ersten Abend wird Ernst Ulrich von Weizsäcker, deutscher Biologe, Bundestagsabgeordneter und Mitglied des Club of Rome, halten. Sein Thema: "Die Demokratie wieder finden, diesmal zusammen mit der Zivilgesellschaft". Es wird von den Wurzeln und der Zukunft dieser in Zeiten des noch längst nicht überwundenen Kasino-Kapitalismus immens bedrohten Zivilgesellschaft die Rede sein - aber auch ein Blick auf den eben erst gescheiterten eu-Verfassungsvertrag geworfen werden. Kürzlich sagte mir ein bekannter Politologe: "Die eu-Verfassung ist ein toter Hund im Keller, aber man muss in Europa auch lernen, wie man mit solchen Leichen umgeht."

Verantwortung lernen

Ein ganzer Tag wird auch konkreten Projekten, bereits erfolgreichen Einzelinitiativen gewidmet sein, weil das ja immer die besten Lehrbeispiele sind, an denen man zu eigenem Tun wachsen kann. Daneben gibt es, wie üblich, zahlreiche Arbeitskreise zu allen Aspekten des Themas und natürlich - sonst wäre es nicht ein globart-Sommer - jede Menge Musik und auch Literatur, etwa ein Kamingespräch anlässlich des 200. Geburtstages von Adalbert Stifter. Gerade er hat ja in seinem Roman "Nachsommer" gezeigt, mit wie viel Liebe und Einfühlungsvermögen ein junger Mensch in die Eigenverantwortung begleitet werden kann, und wie man ihn für einen verantwortungsvollen Umgang mit der Schöpfung zu sensibilisieren hat.

Eines ist ja klar: Zivilgesellschaft fällt nicht vom Himmel, kann nicht einfach am grünen Tisch beschlossen und den Menschen verordnet werden. Zivilgesellschaft wächst von unten, so wie das Gras wächst.

8. GLOBArt-Academy

Zivilgesellschaft - die Herausforderung

25. bis 28. August, Kloster Pernegg

Infos: 02913-21828; 0676-4281728

office@globart.at; www.globart.at

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