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Ich las gerade in der Zeitung, wie leicht es für Einbrecher sei, einzubrechen: vorzugsweise in der Dämmerung, um nicht gesehen zu werden, ausgerüstet mit den raffiniertesten technischen Hilfsmitteln. Roll-Läden? Lächerlich. Flutlicht, Alarmanlagen, Telefone, kein Problem. Terrassen- und Balkontüren: ideal zum Einsteigen, ausräumen, unbemerkt zu entkommen.

Ja, also das las ich gerade in der Dämmerung. Als ich aufsah, stand er in der Tür, eine Tür, die normalerweise gnarzte. Wie hatte er sie so lautlos öffnen können? Er stand also da, groß, schlank, dunkel, eine Halbmaske vor den Augen und schwarze Handschuhe an den Händen. Er deutete eine Verbeugung an: "Erschrecken Sie nicht."

"Zu spät", sagte ich mit betont markiger Stimme, "ich bin schon erschrocken."

"Das tut mir leid."

Er spricht deutsch, dachte ich, gottlob spricht er deutsch, sonst wäre alles viel schwieriger gewesen.

"Wollen Sie sich nicht setzen?" fragte ich. Er nickte und setzte sich. Wir saßen uns gegenüber.

"Wollen Sie nicht die Maske ablegen?" Er zögerte.

"Bitte", sagte ich, "sie irritiert mich. Ich würde gern sehen, woran ich bin."

Er nahm sie ab und steckte sie in die Hosentasche. Unaufgefordert zog er auch die Handschuhe aus und legte sie hinter sich auf den Stuhl. Ich sah auf seine Hände. Schwere Arbeit, das stand fest, hatten diese Hände nicht. Ich sah in sein Gesicht, ein sympathisches bartloses Gesicht ohne besondere Kennzeichen, Augen und Haar dunkel. Wie alt? Keine fünfundzwanzig. Er wirkte etwas verunsichert, räusperte sich.

"Sind Sie allein?" "Nein", log ich, "mein Sohn ist oben in seinem Zimmer. Er arbeitet."

"Oben ist aber alles dunkel."

"Vielleicht hat er sich ein bisserl niedergelegt."

Man sah ihm an, daß er kein Wort glaubte.

Er sah sich im Zimmer um. "Die vielen Bücher ..."

"Jaja", sagte ich gereizt, "das wäre wohl nichts für Sie."

Er sah beleidigt aus. "Sagen Sie das nicht. Ich habe zwei Semester Jus studiert."

"Respekt", sagte ich.

Er zog die Augenbrauen zusammen: "Glauben Sie mir etwa nicht?"

"Doch, doch", sagte ich eilig und überlegte krampfhaft. Wie sollte das weitergehen?

"Mögen Sie ein Glas Wein?" Er nickte freudig. "Ja, gern, Rot - wenn Sie hätten."

Ich nahm zwei Gläser aus dem Schrank und schenkte ein.

Ich holte zwei Scheiben Brot. Langsam bekam ich Oberwasser.

"Gesundheit", wir tranken uns zu. Er nickte anerkennend, nahm eine Scheibe Brot.

"Zur Sache", sagte ich, "was wollen Sie hier? Oder, wenn Sie das lieber hören: was verschafft mir das Vernügen?"

Er lächelte, wurde aber gleich wieder ernst.

"Ich brauche Geld."

"Nonanet", sagte ich. Er lächelte wieder - also ein Landsmann, denn das versteht nur ein Österreicher.

Ich sagte: "Sie haben Pech. Ich habe nur tausend Schilling im Haus, kein Groschen mehr. Morgen wollte ich auf die Bank gehen. Sie sind zu früh gekommen."

Er hob bedauernd die Schultern und nahm einen Schluck Wein. Wir schwiegen. Ich trank mein Glas leer und er das seine.

"Noch einen Schluck?" Er wehrte ab: "Fahrerkontrolle - sie sind sehr streng. Das kann ich mir nicht leisten."

"Ich mache Ihnen einen Vorschlag", sagte ich resolut, "ich gebe Ihnen die tausend Schilling und verspreche Ihnen, der Polizei kein Sterbenswort von Ihrem Besuch zu sagen. Sie versprechen mir, nicht wieder in der Dämmerung in meinem Wohnzimmer zu stehen und mich zu erschrecken. Einverstanden?"

"Einverstanden", sagte er feierlich. Ich stand auf und nahm den Tausendschilling-Schein aus einer Schublade. Mein Gast drehte den Kopf zur Seite und sah weg. Das fand ich sehr taktvoll. Ich gab ihm den Schein. Er stand auf und machte eine korrekte Verbeugung.

"Entschuldigen Sie meinen Besuch. Ich bin etwas durcheinander. Es ist heute alles ganz anders gelaufen als sonst."

"Sind Sie sehr enttäuscht?" Er schüttelte den Kopf.

"Aber nein - es war ein reizender Abend."

"Sind Sie zu Fuß?" fragte ich.

"Nein, nein, mein Wagens steht unten."

Ich begleitete ihn zum Ausgang.

"Wie sind Sie eigentlich hereingekommen?"

"Durch die Haustür. Sie war nicht abgesperrt. Sie sollten besser absperren. Die Zeiten sind schlimm."

Er verbeugte sich noch einmal. Dann war er in der Dunkelheit verschwunden. Wenig später sprang der Motor eines Autos an, das schnell davonfuhr.

Ich schloß die Haustür ab, ging zurück und goß mir ein zweites Glas Wein ein. Mein Versprechen habe ich gehalten, mein Einbrecher das seine, bis auf den heutigen Tag. Die Haustür kontrolliere ich jeden Abend. Was meinen Einbrecher betrifft, so begleiten ihn meine guten Wünsche.

Vielleicht studiert er gerade ein drittes Semester Jus.

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