"Mein ganzes Leben war ein Kampf gegen die Langeweile"

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Edmund Hillary erreicht am 29. Mai 1953 als erster Mensch den höchsten Berg der Welt und schießt ein Foto von seinem Begleiter Sherpa Tenzing Norgay. Dessen Angebot, ein Bild von ihm zu machen, lehnt Hillary ab. Tenzing habe nie zuvor eine Kamera benutzt "und der Gipfel des Mount Everest war wohl kaum der richtige Ort, um ihm zu zeigen, wie das geht", sagte Hillary später. Jeder andere Spitzenbergsteiger am Mount Everest hätte alles unternommen, um ein Gipfelfoto zu bekommen, und wäre dafür ein Fotografier-Kurs für den Yeti nötig gewesen. Hillary war anders - in dieser Hinsicht und auch sonst: Es schmälert keineswegs seine Leistung, wenn man sagt, er war nicht der beste Bergsteiger seiner Zeit. Aber er war der richtige Mann zur richtigen Zeit am richtigen Ort; und er hatte das Glück, das dem Tüchtigen den Erfolg beschert.

Tenzing hat einmal, nach den Gründen für den Erfolg am Mount Everest befragt, die ausreichende Versorgung mit Zitronenlimonade genannt. Das klingt wie ein Scherz, erklärt aber sehr gut den Gipfelsieg der 1953er-Everest-Expedition: Die Bestellung des Berufssoldaten John Hunt zum Expeditionsleiter machte sich bezahlt. Der ließ viele Höhenlager bauen, perfektionierte die Verpflegung und schickte seine besten Teams mit verschiedenen Sauerstoffsystemen ins Rennen. Das erste Duo erreichte schon die Höhe von 8753 Metern - höher als je ein Mensch zuvor -, musste aber umdrehen. Der Brite Hunt beschwor daraufhin den Neuseeländer Hillary, er habe "die Pflicht, den Berg zu besteigen. Viele Tausende setzen ihre Hoffnung und ihr Vertrauen auf uns, und wir dürfen sie nicht enttäuschen."

Hillary und Tenzing enttäuschten nicht - nicht beim Gipfelgang und auch nicht im Tal. Im Gegensatz zu anderen alpinen Erfolgsduos ließen sie keinen Keil in ihre Bergfreundschaft treiben, blieben auch unten das, was sie oben waren: ein Team. Tashi Tenzing, der Enkel von Tenzing Norgay, hat im Furche-Interview zum 50-Jahr-Jubiläum der Erstbesteigung gesagt: "Hillary und Tenzing haben Unglaubliches geleistet, bis dahin Undenkbares denkbar, Unmögliches möglich gemacht. Noch heute ist es schwer, ganz nach oben zu kommen, das weiß ich aus eigenem Erleben. Nur weil es heute viel mehr als früher schaffen, heißt das nicht, dass es leicht ist. Aber vor fünfzig Jahren schien es unmöglich. Ich glaube, dass die beiden mit ihrem Erfolg eine Inspiration für alle Menschen gewesen sind. So wie die großen Entdeckungen, so wie die großen Erfindungen, so wie die Mondlandung. Sie haben erneut gezeigt: Wo ein Wille, da ein Weg."

Hillarys weiterer Weg führte ihn zum Süd- und Nordpol und immer wieder in den Himalaya: "Ich bin immer ruhelos gewesen, mein ganzes Leben war ein Kampf gegen die Langeweile." Aus Dankbarkeit machte sich der gelernte Imker für die Sherpa stark. Er gründete eine Stiftung, sammelte Spenden und legte Hand an: beim Bau von Schulen, Krankenhäusern, Straßen, Brücken … "Wenn ich mal ins Gras beiße, sollten von allem, was ich so gemacht habe, ohne Frage die Sherpaschulen als bleibende Leistung in Erinnerung bleiben", wünschte er sich.

Am 11. Januar ist Sir Edmund Hillary 88-jährig verstorben. Sein ihm bereits 1986 zu diesem letzten Gipfelgang vorausgeeilter Freund Tenzing hat ihrer beider Glück am Berg und im Tal so beschrieben: "Tuji chey, Chomolungma: Ich bin dankbar." WM

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