Jedes Jahr schreibe ich Dir einen Brief, um mich zu bedanken für Deine Liebe, Deine Treue und die Freude, die Du mir machst. Wenn Du neben mir liegst und mich - pf-pf - anpfauchst mit Deinen Atemstößen, dann schlafe ich ruhig und gelöst. Ich spüre Deine Wärme, und es tut auch gar nicht weh, wenn Du mir Dein rechtes Haxl auf die Schulter legst und mich am Hals kratzt, dass man den Fahrer zwei Tage lang sieht.
Heute schreib ich Dir, weil ich mir Sorgen mache. In den Zeitungen, im Fernsehen, überall wird eine Antihunde-Hysterie entfacht. Offiziell geht es um sogenannte "Kampfhunde", die von Natur aus "böse" sind. Man kann den Herrschaften, die diese Meldungen lancieren, nicht beibringen, dass der Mensch diese Tiere "scharf" macht und gemacht hat. Is ja wurscht gegen wen, gegen Türken, Roma, Ausländer überhaupt (so sie nichts haben) - das redaktionelle Sommerloch muss gestopft werden, und der Sanktionenschmäh wirkt halt nicht mehr so, wie manche gern hätten. Jetzt seid Ihr dran. Die, die die Straßen vollscheißen, die bellen und beißen. Nicht die Menschen sind schuld - nein, das könnte Leser verstimmen - die "Hundsviecher" müssen herhalten. Die, die da herumtoben und Giftspritzer aus Passion sind, wissen halt nicht, was ein Hund bedeuten kann. Nicht nur dem Einsamen, dem Enttäuschten, dem, der Liebe sucht und bei den Menschen nicht findet, nicht nur dem Hilfsbedürftigen, dem Blinden, dem Kind, das Wärme braucht. Sie wissen nicht, was ein Hund, also was Du mir bist. Mein Schatten, mein Freund, mein Beschützer, Beruhiger. Jetzt habe ich Dich schon drei Wochen nicht gesehen und gestreichelt und muss noch 14 Tage warten. Aber dann, dann wirst Du an mir hochspringen, mich - stark wie du bist - fast (ich hoffe, nur fast) umschmeißen, abschlecken, und Dein Liebesthermometer, Dein Schwanz wird hin und her sausen. Ich freu mich drauf, freu mich auf unser Wiedersehen.
Am Abend, in der Nacht wirst Du neben mir liegen, und dann ist die Welt wieder (fast!!) in Ordnung. Deine Augen sagen mehr, als die Worte der professionellen Schmähtandler, Hetzer, Hasser und Verführer. Du hast denen gegenüber einen großen Vorteil: Du bist ein anständiger Kerl. Wart ein bissl, wenn ich heimkomm', erklär ich Dir das. Dir - denn die anderen verstehen es nicht.
Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.
In Kürze startet hier der FURCHE-Navigator.
Steigen Sie ein in die Diskurse der Vergangenheit und entdecken Sie das Wesentliche für die Gegenwart. Zu jedem Artikel finden Sie weitere Beiträge, die den Blickwinkel inhaltlich erweitern und historisch vertiefen. Dafür digitalisieren wir die FURCHE zurück bis zum Gründungsjahr 1945 - wir beginnen mit dem gesamten Content der letzten 20 Jahre Entdecken Sie hier in Kürze Texte von FURCHE-Autorinnen und -Autoren wie Friedrich Heer, Thomas Bernhard, Hilde Spiel, Kardinal König, Hubert Feichtlbauer, Elfriede Jelinek oder Josef Hader!