Mein Volk, meine Tasche

Werbung
Werbung
Werbung

Selbst die Kostüme waren an diesem Abend zum Brüllen komisch. Mit breiten Sonnenbrillen, auf hohen Hacken und in schicken Kostümen betreten die drei ehemaligen First Ladies die Bühne: Franziska Hackl als Frau Margot (Honecker) ganz in beige, mit der Asche ihres verstorbenen Gatten Erich in der Tasche. Katja Jung mit Turmfrisur und in Abendrobe als Frau Imelda (Marcos) stellt gleich klar: "Wo kein Volk ist, da muss nicht gewunken werden", und die großartige Nicola Kirsch als Frau Leila (Ben Ali) hasst öffentliche Auftritte und ungezieferverseuchtes Leitungswasser. Sie hat in ihrem Designertäschchen ein paar Gedichte für uns vortragsbereit, inklusive der titelgebenden Zeile dieser Farce von Theresia Walser: "Ich bin wie ihr, ich liebe Äpfel". Bei der österreichischen Erstaufführung im Wiener Schauspielhaus unter der Regie von Sebastian Schug werden die drei Diktatorengattinnen also gleich bestens eingeführt.

Dramaturgischer Coup

Herrlich deplatziert, in einem heruntergekommenen Hinterzimmer (Bühne und Kostüme von Christian Kiehl), warten die drei auf ihren großen Auftritt um ihre Sicht der Dinge vor die Kamera zu bringen und den wartenden Journalisten all die Ungerechtigkeiten, die ihnen der Freiheitsdrang ihrer Untertanen angetan hat, los zu werden. Bis es dazu kommt, müssen sie sich allerdings mit sich selbst und den überbordenden Egos ihrer Kolleginnen sowie den Kapriolen eines übereifrigen Simultanübersetzers namens Gottfried herumschlagen. Mit der Figur des Dolmetschers, in wunderbar überdrehter Weise von Florian von Manteuffel dargestellt, hat die deutsche Autorin Walser, Tochter von Martin Walser, einen dramaturgischen Coup gelandet. Der selbsternannte "Brückenbauer" Gottfried fungiert in dieser verschrobenen Komödie als Querschläger; Originalzitate und biographische Ungeheuerlichkeiten werden durch seine Fehlübersetzungen verstärkt, konterkariert und der Lächerlichkeit preisgegeben. Einige Textunsicherheiten verschaffen - ungewollt - auch dem Souffleur ein paar improvisierte Extraauftritte, ansonsten geben die drei Damen vom Politgrill aber ihr Bestes. Kirsch turnt als Kakerlake über den Bühnenboden, Jung trällert ein paar von Imelda Marcos Lieblingsliedern und Hackl träumt von deutschen Würsten. Streckenweise gerät die Boulevardkomödie mit bitterem Beigeschmack allerdings zur Klamotte, die recht simpel und flach gestrickt wirkt. Trotzdem bietet der Abend reichlich Unterhaltungsstoff.

Ich bin wie ihr, ich liebe Äpfel

Schauspielhaus Wien 18., 19. April, 23., 28. Mai

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung