"Meine Bilder sind heilige Schreine“

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Das Kulturzentrum bei den Minoriten in Graz richtet dem Grenzgänger Alois Neuhold eine umfassende Retrospektive aus. Kunst und Religion will er in seinem Werk nicht voneinander geschieden wissen - seine Arbeiten präsentieren sich als Bilder der Fülle.

Treppauf, treppab, hinunter in den Sonnenkeller.“ Ein einfacher Bildtitel, erfunden zu einem Bild, das vor fünf Jahren entstanden ist und sich ebenso klar strukturiert zeigt wie die beigestellte Sprachergänzung. Wie so oft beim Einfachen, birgt auch dieses ein umwälzerisches Potenzial. Wer geht schon in den Keller, um die Sonne zu genießen? Alois Neuhold, der Schöpfer von besagtem Bild samt dazugehörigem Titel, tut dies. Aber nicht, weil er ein verirrter Gruftgänger wäre, nein, vielmehr hat er sich seinen Keller so gebaut, dass die üblichen Zuordnungen von oben und unten sonnenlichtdurchflutet sanft beiseitegeschoben sind. Mit jedem seiner Farbtüpfelchen beginnt sein Keller zu glühen, strahlt sogar noch treppauf bis ganz nach oben. Insofern greift dieser Titel, für ein konkretes Bild auserkoren, weit über das Einzelstück hinaus und könnte durchaus als programmatische Kurzformel für das gesamte Werk von Alois Neuhold gelten. Um diese Spur verfolgen zu können, richtete das Kulturzentrum bei den Minoriten eine umfassende Retrospektive aus.

Treppauf, treppab …

Treppauf, treppab, so fällt auch der Blick auf die Biografie von Alois Neuhold aus, eine einzige Berg- und Talbahn. Einmal himmelhochjauchzend, dann wieder tiefbetrübt, aber immer getragen von einem laut hinausgerufenen Ja zu diesem Leben, von einer grundsätzlichen Zustimmung ohne Wenn und Aber. Schwieriger wird es dann, eine Entscheidung zu fällen, ob diese so tragfähige Unterfütterung künstlerischer oder religiöser Natur ist. Beide Begabungen sind bei Neuhold stark ausgeprägt, beide Begabungen werden von ihm aber auch mit der ganzen Kraft, die ein Mensch aufzubringen im Stande ist, zur Entfaltung getrieben. "Für mich ist die Scheidung zwischen Religion und Kunst nicht! Wenn sie am Grund sind, schöpfen beide aus dem EINEN Gefäß das EINE. So werden Priester und Künstler auch EINS in EINEM. Diese EIN-heit ist zu leben.“ Es geht nicht bloß um ein Nebeneinander von Kunst und Religion, bei dem die beiden einander nicht weh tun, vielleicht sogar hin und wieder von der Ferne einen verschämten Gruß zuwinken. Bei Neuhold befruchten die beiden einander, ein intensiver Austausch drängt zu "Gotteslallen“ und "Pfingstdudelsäcken“, die Farben auf der Palette übertragen sich als "Wandlungsworte“ auf die unterschiedlichen Bildträger, die "Kunst um der Kunst willen“ ist zurückverwiesen auf die Spielwiese der Vorbereitung, der Ernstfall von Kunst wird in jedem neuen Werk exzessiv ausgekostet. Das malerische Element und das priesterliche Element vereinigen sich in einer Person und entwickeln sich zu einer prophetischen Existenz - wie es auch viele Porträtfotografien nahelegen.

Wanderungen durch Kunstlandschaften

Ist es unter diesen Vorgaben besonders verwunderlich, dass die Arbeiten von Alois Neuhold sich als Bilder der Fülle präsentieren? Überschwänglich ausgreifend machen sie vor dem Rahmen nicht halt und erheben sich in dicken Farbreliefs aus dem Bildraum hinaus in den Ausstellungsraum. Die aufwendig produzierten Überlagerungen vibrieren trotz der statischen Festigkeit des Materials, fein ziselierte Landschaften laden die Betrachteraugen zu Wanderungen durch Kunstlandschaften ein, bei denen alle vier Jahreszeiten gleichzeitig in ihren Farben leuchten. In jüngeren Arbeiten laden wiederum auf größere Flächigkeit abzielende Bildzonen zur Rast auf diesen Wanderungen ein, um dort auf Zeitgenossen zu treffen, die manchmal - treppab - melancholisch in die Welt blicken, wie etwa das "Seherpaar zur traurigen Einsicht“, und die manchmal - treppauf - voll Freude die Zukunft erwarten, wie etwa die "Sonnenseherin“. Viele Gesichter bieten sich den Betrachtern als mögliche Spiegelbilder dar, Gesichter, die als Gesichte zu in üppiger Farbenpracht empfangenen Visionen gerinnen.

Aber gilt denn der Prophet heutzutage wieder etwas? Neuhold behält einen nüchternen Blick: "Meine Bilder sind heilige Schreine. Die Kunstgenossen dürfen/wollen das nicht sehen, die Religionshüter können/wollen es nicht glauben. Den Religionshütern bin ich ein Ketzer, den Kunstgenossen ein exotisches Relikt aus früheren Epochen.“ Trotzdem, es gibt zumindest kleine Anerkennungen, die Kapelle in Gössendorf und jene im LKH in Fürstenfeld. Und es gibt die "empfangenden Augen“ von Alois Neuhold, die nicht festhalten wollen, sondern in eine jeweils größere Offenheit hinausstreben.

Alois Neuhold: Nicht von hier

Kulturzentrum bei den Minoriten

Mariahilferplatz 3/I, 8020 Graz

bis 13. 1. 2013, Di-Fr 10-17, Sa, So 11-17

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