"Meine Sprache ist mein Angebot"

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Vergangenen Herbst läutete sie mit ihrem Stück die Saison am Wiener Schauspielhaus ein, zukünftig wird sie dort als Hausautorin tätig sein: Die junge Dramatikerin Gerhild Steinbuch im Gespräch mit der Furche über das Schaffen von Sehnsuchtsorten, ihr neuestes Werk "R. Destillat" und die Eitelkeit des Monologisierens.

Die Furche: Das Wiener Schauspielhaus hat unter anderem mit Ihrem Stück "schlafengehn" die neue Direktion eröffnet und in der Saison 2008/09 werden Sie auch Hausautorin am Schauspielhaus sein. Wie sieht die Zusammenarbeit mit dem Schauspielhaus aus?

Gerhild Steinbuch: Mit "schlafengehn" war ich ja schon bei den Werkstatttagen am Burgtheater und kenne den neuen Leiter Andreas Beck aus diesen Zusammenhängen. Im Schauspielhaus war ich beim Probenprozess teilweise dabei und habe auch die Regisseurin Barbara-David Brüesch getroffen, außerdem habe ich mir den Durchlauf und eine Hauptprobe angesehen. Ich fand die Aufführung von "schlafengehen" recht gelungen, weil sie so schwebend und so musikalisch war. Die Regisseurin ist auch sehr gut mit der Sprache umgegangen. Wenn ich Hausautorin bin, wird die Arbeit mit dem Ensemble freilich intensiviert, ich werde am Ort sein und wir werden die Stücke gemeinsam entwickeln.

Die Furche: In "schlafengehn" heißt die Hauptfigur Elm, das bedeutet im Englischen Ulme. Und Nele ist das Mädchen, das im Baum sitzt. Wird der Wald zum Ort der Utopie?

Steinbuch: Ja, die Waldreferenz ist sehr wichtig. Nele erfindet einen Wald, der eine bessere Welt symbolisiert. Tatsächlich versucht sie, einen Sehnsuchtsort daraus zu machen. Der Ort der Familie ist negativ besetzt, so wie alle anderen Orte auch, daher ist Neles Angebot eine Hoffnung. Sie hat als einzige etwas anzubieten. Jeder hat seine eigenen Phantasien und Versionen von Bildern. Elm lehnt die Phantasien der anderen ab. Er sucht sich. Und Neles Wald scheint passend, weil er ein Ort dahinter ist. So wie man sich an Dinge erinnert bzw. erinnern will.

Die Furche: Sie schreiben teilweise sehr verrätselt, verknappt. Ein Teil der zeitgenössischen Dramatiker sieht Theater als reinen Akt des Sprechens und nicht mehr im Sinne der Handlung oder Fabel von Bertolt Brecht. Es gibt zahlreiche Theatertexte, die nicht mehr in dialogischer Form erscheinen. Wie gehen Sie mit diesem Diskurs um?

Steinbuch: Wenn es konventionelle Figuren gibt und sich alles so aufs Monologisieren zurückzieht, dann finde ich das tatsächlich ein wenig eitel. Außer das Monologische hat eine eigene Form, so wie es etwa bei René Pollesch der Fall ist. Aber da gibt es ja auch keine Figuren. Es ist eine große Herausforderung, in Dialogen zu schreiben. Ich bewundere das, wenn es gelingt, etwas zwischen die Zeilen einzupacken. Mir geht es beim Schreiben darum, Dinge zu erzählen, die mich beschäftigen und wo ich das Gefühl habe, die haben auch etwas mit der Welt zu tun.

Die Furche: Wie gehen Sie ans Schreiben heran? Wie entstehen Ihre Stücke bzw. Prosa, gibt es da einen Unterschied?

Steinbuch: Ich gehe immer von einem bestimmten Rhythmus, einem bestimmten Klang aus. Dann schreibe ich eine Fassung, und wenn diese abgeschlossen ist, dann habe ich auch die Figuren fertig. Die erste Fassung werfe ich dann weg und beginne eigentlich erst dann mit dem eigentlichen Text. Ich erschreibe mir mit dem Wissen aus diesem Schreibprozess das Stück, auch wenn ich dann wieder ganz neu anfange. Ich versuche mit den Figuren sehr genau zu sein, aber nicht im Sinne einer psychologischen Aufschlüsselung, sondern ich versuche, eine genaue Bildsprache zu finden.

Die Furche: Zur Zeit haben Sie ein Stipendium in Stuttgart, dann sind Sie noch Hausautorin am Schauspielhaus. Wie sieht das derzeitige alltägliche Arbeiten für Sie aus, woher kommen Ihre literarischen Einfälle?

Steinbuch: Ich glaube nicht daran, dass man auf Inspiration warten kann und dann kommt irgendwas. Es sind immer Sachen, die sich mir aufdrängen. Vieles hat mit Dingen zu tun, die ich lese, von Straßenschildern bis zur Zeitung, Büchern, einfach alles.

Die Furche: Es gibt bei Ihnen eine Art von Entpersonalisierung und Abstraktion in der Sprache, die teilweise an Werner Schwab erinnert. Man hat das Gefühl, dass die Figuren und ihre Gefühle voneinander entkoppelt funktionieren. Ist Schwab ein Vorbild?

Steinbuch: Tatsächlich finde ich Werner Schwab großartig. Aber es gibt viele Autoren, die mich interessieren, im Speziellen Autoren, die sich mit Sprache beschäftigen. Parallel zu "schlafengehn" habe ich etwa Marius Mayenburgs "Parasiten" gelesen und August Strindbergs "Die Gespenstersonate".

Die Furche: Sie arbeiten eigenwillig, was die Orthografie betrifft. Sie haben Ihre individuelle Kommasetzung, es gibt kaum Ruf- oder Fragezeichen in Ihren Texten. Sie entheben die Sprache quasi der Interpunktion.

Steinbuch: Das kommt aus meinem Grundmisstrauen Menschen gegenüber, was deren Musikalität betrifft. Mein Text ist das einzige, was ich als Autorin vorgeben kann. Ich kann keinen Einfluss auf die Bühnensituation nehmen. Es ist ja auch nicht die Aufgabe des Regisseurs, zu formulieren. Der Regisseur muss andere Sachen mitbringen. Mein Teil ist jener, genaue Vorgaben zu machen. Also, ich sehe es so, dass meine Sprache mein Angebot ist, sie soll den Rhythmus des Stückes definieren. Dafür schreibe ich jedoch keine Regieanweisungen und nur selten gebe ich die Bilder vor.

Die Furche: Am 16. April wird Ihr neues Stück "R. Destillat" im Wiener Theater "brut" aufgeführt. Können Sie uns vielleicht verraten, worauf wir dabei gespannt sein dürfen?

Steinbuch: Es ist eine Fassung nach dem Film "Rosetta" der Brüder Dardenne. Ich habe das Stück gemeinsam mit zwei Regisseuren, Julie Pfleiderer und Philipp Becker, entwickelt. Wir wollten "Rosetta" machen, weil der Film quasi keinen Text hat, aber die Vorgänge und die Bilder sehr genau sind. Daher mussten wir eine Übersetzung dieser Bilder in Sprache finden. So wie die Kamera im Film transportiert hier der Text die Figuren. Ich habe eine Art von Rhythmik und Logik in der Sprache gefunden, die das vermitteln soll, was der Film im Bild transportiert. Und ich war am Probenprozess beteiligt. Das Stück hat dann in Berlin im März seine Premiere und wird dann in Zürich, Düsseldorf und Hamburg und im April in Wien zu sehen sein.

Das Gespräch führte Julia Danielczyk.

"Der Hut ist in mich hineingewachsen"

Bei öffentlichen Auftritten ist der Pelzhut zum Markenzeichen von Gerhild Steinbuch geworden. Zurerst, "weil ich nervös war, aber mittlerweile ist es für mich normal. Ich suchte etwas, das meine Person in meinen vier Wänden unterscheidet. Der Hut ist in meine Gestalt hineingewachsen. Heute laufe ich daheim auch oft mit Mütze herum."

1983 in Mödling geboren, zählt Gerhild Steinbuch zu den erfolgreichsten österreichischen Gegenwartsdramatikerinnen. Sie studierte "Szenisches Schreiben" in Graz, wurde 2003 mit dem Retzhofer Literaturpreis ausgezeichnet und gewann mit "kopftot" den Stückewettbewerb der Schaubühne am Lehniner Platz, Berlin. Sie bekam das Literaturstipendium der Stadt Graz, war nominiert für den Ingeborg-Bachmann-Preis und wurde mit dem Reinhard-Priessnitz-Preis des österreichischen Bundeskanzleramts und dem Literaturförderungspreis der Stadt Graz ausgezeichnet. Weiters erhielt sie das Dramatikerinnenstipendium der Kunstsektion des österreichischen Bundeskanzleramts, den Literaturförderungspreis der Zeitschrift "manuskripte" und den Preis der deutsch-französischen Autorentage für "Menschen in Kindergrößen", das kommende Spielzeit am Staatstheater Mainz uraufgeführt wird.

Premiere von "R. Destillat" im Rahmen des Festivals "Freischwimmer 08" am 16. April 2008 um 19.00 Uhr

im Wiener brut, Künstlerhaus, Karlsplatz.

Internet: www.brut-wien.at

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