Meister der Wiener Operette

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Zum 100. Todestages des großen Operettenkomponisten Karl Millöcker (1842 bis 1899).

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Zum 100. Todestages des großen Operettenkomponisten Karl Millöcker (1842 bis 1899).

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Zu einer Probe für den "Bettelstudenten" war Alexander Girardi, der große Volksschauspieler, betrunken und mit großer Verspätung erschienen. "Ich wär' halt gar nicht gekommen!", schnauzte ihn Karl Millöcker wütend an. "Siehst, das hab ich mir gleich gedacht", erwiderte Girardi, "Du hast eben kein Pflichtgefühl net." Wer konnte, flüchtete in die Kulissen, die anderen Anwesenden konnte ihr Lachen nicht verbergen und prusteten los.

Das war nicht das einzige Mal, daß Karl Millöcker, dessen 100. Todestag am 31. Dezember begangen wird, von einem Zeitgenossen in den Schatten gestellt wurde. Mit dem "Bettelstudenten" landete er 1882 einen Welterfolg, doch der Stern von Johann Strauß strahlte heller. "Der Bettelstudent" gilt als eines der Meisterwerke der frühen Wiener Operette - doch Strauß' "Fledermaus" gilt als Gipfelpunkt der goldenen Ära der Wiener Operette, wenn nicht der Operette schlechthin. Selbst sein Sterbedatum gerät ihm posthum zum Verhängnis: 1999 wurde als Strauß- und nicht als Millöckerjahr gefeiert.

Der am 29. April 1842 in Wien geborene Sohn eines Goldschmieds wurde schon als 16jähriger Flötist im Theater an der Josefstadt. Dort wurde sein künftiger Förderer Franz von Suppe auf ihn aufmerksam; er vermittelte ihm 1864 seinen ersten Kapellmeisterposten am Grazer Landestheater. Zwei Jahre später kehrte er nach Wien zurück, wo er als Hauskomponist und Kapellmeister im Theater an der Wien (1869 bis 1883) musikalische Einlagen für Possen und Vaudevilles verfaßte, die rasch populär wurden. Seine erste abendfüllende Operette "Die Fraueninsel" wurde 1868 ohne sonderlichen Widerhall in Budapest aufgeführt.

Sein - erfolgreiches - Wiener Operetten-Debüt gab 1878 Millöcker mit "Das verwunschene Schloß", es folgten "Gräfin Dubarry" (1879), Apajune, der Wassermann" (1880) und "Die Jungfrau von Belleville" (1881). "Der Bettelstudent" ("Ach, ich hab sie ja nur auf die Schulter geküßt!") schließlich macht Millöcker zum weltbekannten, unverwechselbaren Komponisten, der große Erfolg ermöglicht es ihm, fortan als freier Komponist zu arbeiten.

Von den acht weiteren Operetten, die er bis zu einem Schlaganfall 1896 noch schrieb, "reicht mindestens die Hälfte heran an die musikalische Einfallskraft, szenische Treffsicherheit und kompositorische Kunstfertigkeit des Bettelstudenten", schwärmt der deutsche Operetten-Experte Volker Klotz: "Gasparone", "Der Feldprediger" (beide 1884), "Der Vizeadmiral" (1886) und "Der arme Jonathan" (1890).

Am Wiener Harmonietheater, wo Millöcker 1866 bis 1869 wirkte, lernte er den Dichter Ludwig Anzengruber kennen, der dort als Schauspieler arbeitete. (Auch Anzengrubers Todestag jährte sich heuer zum 100. Mal, nämlich am 10. Dezember). Ihre Zusammenarbeit - Millöcker schrieb die Musik zu einigen von Anzengrubers volkstümlichen Stücken - beeinflußte den Komponisten. So standen ausgerechnet die lebensnahen, fast naturalistischen Bauerndramen Anzengrubers Pate für die im Älplermilieu spielende, naturgemäß burleske Operette "Das verwunschene Schloß".

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