Meister des verstellten Himmels

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Die Albertina konfrontiert einige Arbeiten Michelangelos mit denen seiner Zeitgenossen.

Früh übt sich, wer ein Meister werden will. Kein Meister fällt vom Himmel. Solche und ähnliche Weisheiten klingen vertraut, unzählige Lehrergenerationen haben versucht, damit ihre Schülerschar zu aufrichtigem Bemühen zu bewegen. Und dann öffnet sich plötzlich der Himmel, die Massen strömen zu den Meisterzeichnungen von Michelangelo und seinen Zeitgenossen. Begeistert vom Kunstgott stehen sie davor und sonnen sich in der Strahlkraft dieser Arbeiten.

Zugegeben, eine derart summarische Unterstellung ist unzulässig. Die bildungsbürgerlichen Allüren sind uns heutzutage doch längst fremd geworden. Was damals an frommen Inhalten aufgezeichnet wurde, besitzt seinen bleibenden Wert nun als Blockbuster einer weltweit bekannten grafischen Sammlung. Zukunft ist Herkunft, daher gilt es, die Herkunft zu durchleuchten und sich daran zu ergötzen, auch wenn die Zukunft keinen Himmel mehr verspricht, nicht einmal mehr einen jener Meisterschaft, für die der Name Michelangelo bürgt.

Auferstehung der Antike

Die Ausstellung in der Albertina schneidet ein Stück aus unserer Geschichte heraus und präsentiert einige Arbeiten des Meisters Michelangelo und stellt diese einigen seiner Zeitgenossen wie Leonardo da Vinci, Raphael, Frau Bartolomeo, Correggio, Pordenone, Andrea del Sarto, Parmigianino und Marcantonio Raimondi gegenüber. Ein interessanter Einblick in jene Epoche, die der Schwermut des Mittelalter zu entkommen trachtete, nicht zuletzt indem sie den Frohsinn der klassischen Antike wieder auferstehen lassen wollte. Und Michelangelo ist bei dieser Unternehmung sicher ein ganz zentraler Künstler. Mit stetiger Erfindungsvielfalt und unbändiger schöpferischer Kraft, was er in dieser Intensität wohl nur mit Leonardo teilt, setzt er die Maßstäbe zur Herausbildung der Hochrenaissance. Seine Figuren orientieren sich am antiken Ideal, nehmen aber auch die Erbschaft des Mittelalters auf, wenn er sie mit übermenschlicher Energie, Leidenschaftlichkeit und tragischem Ernst auflädt. Seine Gestalten bleiben auch in den Mehrfigurengruppen, wie der Schlacht von Cascina, isoliert, sie werden von einer quälenden Unruhe getrieben und handeln aus einer inneren Notwendigkeit heraus. Jede Figur kämpft für sich alleine, besorgt, manchmal verzweifelt - aber immer mit großer Bestimmtheit. In analytischer Klarheit hält Michelangelo jede Unebenheit des Körpers fest, auf einigen Zeichnungen finden sich sogar Ziffern und Merkzeichen für das detaillierte Studium der Muskeln. So schwärmt denn auch Vasari, der große zeitgenössische Biograf der Renaissancekünstler, angesichts der Deckenfresken in der Sixtina: "Ein jeder staune über die Trefflichkeit der Gestalten, die Richtigkeit der Verkürzungen, die bewunderungswürdige Weichheit der Umrisse, die Anmut und Leben haben, und jedes schöne Verhältnis, die er, um den Gipfel der Vollkommenheit der Kunst zu zeigen, in jedem Alter abbildete, verschieden im Ausdruck wie in der Form, im Gesicht wie im Körper, die einen schlanker, die andern voller in den Gliedern und gleich mannigfaltig in den schönsten Stellungen."

Michelangelos Einfluss

Es verwundert daher nicht, dass sich viele andere Künstler an dieser Meisterschaft ein Beispiel genommen haben. Und man sieht, dass nur wenige in der Lage waren, die Spannkraft, die Michelangelos Werk auszeichnet, auch nur ansatzweise zu übernehmen. Denn Michelangelo arbeitete nicht wie einer, der als Meister vom Himmel gefallen ist, etwa von einem Kunstgott zur Ergötzung der Menschen entsandt. Er schuf vielmehr aus der entgegengesetzten Richtung kommend, sah sich vor einem verstellten Himmel, vielleicht auch verstellt von allzu künstlich harmonischen Körpern. Welche Zukunft sein verstellter Himmel hatte, zeigt die Zusammenstellung in der Albertina für den dort ausgewählten Zeitraum.

Michelangelo und seine Zeit

Albertina, Albertinaplatz 1, 1010 Wien

Bis 26. 10 tägl. 10-18, Mi bis 21 Uhr.

Katalog: Klaus Albrecht Schröder (Hg.), Michelangelo und seine Zeit. Meisterwerke der Albertina, Wien 2004,

244 Seiten, e 29,-

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