Menschen am Übergang

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Die Ausstellung "Dürer - Cranach - Holbein. Die Entdeckung des Menschen“ zeigt vor allem Bilder der drei deutschen Stars der Porträtmalerei. Die ausdrucksstarken Bilder geben einen Einblick in die spätmittelalterliche und frühneuzeitliche Gesellschaft.

Jahrhunderte galt das Porträt nach dem religiösen Bild als bedeutendste Kunstform, auch wenn es von Theoretikern wie dem Renaissance-Biografen Giorgio Vasari weniger als andere Gattungen geschätzt wurde. Die Porträtmalerei hatte vor allem praktischen Nutzen. Schließlich war die künstlerische Wiedergabe eines Menschen bis zur Erfindung der Fotografie die einzige Möglichkeit, an einen Nichtanwesenden über dessen Tod hinaus zu erinnern - ihn zu repräsentieren oder auch zu ehren.

In Deutschland begann sich die Porträtkunst als eigene Kunstgattung um 1460 zu entwickeln. Denn plötzlich rückte der Mensch ganz im Sinne neuzeitlichen Denkens ins Zentrum der Aufmerksamkeit. In dieser Zeit entstanden die ersten autonomen Bildnisse nach niederländischem Vorbild. In den folgenden Jahrzehnten wurde das Porträtieren neben Aufgaben im Dienst der Kirche zu den wichtigsten Tätigkeiten der Künstlerwerkstätten.

Wichtige Tätigkeit für Künstler

Eine Ausstellung zeigt jetzt im Kunsthistorischen Museum den Blick der deutschen Künstler auf den Menschen am Übergang vom Spätmittelalter zur Frühen Neuzeit. Im Fokus stehen dabei vor allem drei Stars der deutschen Porträtmalerei: Albrecht Dürer, Lucas Cranach und Hans Holbein. Zusammengestellt wurde der Parcours mit 140 Meisterwerken aus der hauseigenen Sammlung, ergänzt durch hochkarätige Leihgaben aus Berlin, London, Madrid, Frankfurt und New York, von dem erst kürzlich pensionierten Direktor der Gemäldegalerie. Karl Schütz ist ein leidenschaftlicher Porträtforscher, so dass er sich und dem Publikum mit dieser Schau samt umfassenden Katalog ein fulminantes Abschiedsgeschenk machte.

Beim Rundgang durch die in zwei Sälen und mehreren Kabinetten gehängte Ausstellung, die anschließend in die Kunsthalle der Hypo-Kulturstiftung nach München wandert, tritt man mit ganz unterschiedlichen Personen in Dialog. Das sind natürlich in erster Linie Fürsten, Kaiser und Könige. Genauso aber wohlhabende Bürger und humanistische Intellektuelle; auch unbekannte junge Frauen und pausbackige Kinder. Oft sind es Einzelporträts, mitunter teilen sich Ehepaare, Schwestern oder Vater und Söhne eine Leinwand.

Manchmal sind die Gesichtszüge so lebendig und psychologisch tiefgründig gemalt, dass man meint, die Empfindungen der Dargestellten zu spüren. Zugleich geben die Gemälde und Zeichnungen Einblick in die spätmittelalterliche und frühneuzeitliche Gesellschaft - auch in die Position der Dargestellten. So zeigt das ungewöhnliche "Bildnis dreier Damen“ (1535) von Lucas Cranach offenbar die Töchter des sächsischen Herzogs Heinrich des Frommen. Die elegant gekleideten jungen Frauen mit elfenbeinernem Teint und bewussten Körpergesten spiegeln die damaligen Vorstellungen von kultivierten Frauen an Fürstenhöfen. Einen scharfen Kontrast dazu bildet Dürers "Brustbild einer lachenden Bauerndirne“ (1505). Die mit Feder ausgeführte Zeichnung einer Dorfbewohnerin mit locker um den Kopf gebundenem Tuch und geöffnetem Mund wirkt nahezu "modern“, demonstriert sie doch Dürers Hang zu einem ungeschönten Realismus und sein Interesse am Porträtieren von Menschen unabhängig von ihrer sozialen Stellung.

Erfolgreiches Vorbild

Immer wieder erinnern die Maler gerade in Zusammenhang mit der Schönheit und Jugend der Porträtierten an die Vergänglichkeit. So hält der von Bartholomäus Bryun im Alter von 37 Jahren gemalte "Ordensritter“ in seinen Händen einen Totenschädel, eine Sanduhr und ein Schriftband, auf dem geschrieben steht: "Lebe eingedenk des Todes.“

Aus kunsthistorischer Sicht sehenswert ist das Porträt Rudolf IV., des Gründers der Wiener Universität und Stifters des Stephansdoms. Die Tafel aus dem Jahr 1360 von einem unbekannten Maler gilt als eines der beiden ältesten Einzelbildnisse in Europa nördlich der Alpen. Das Gemälde aus dem Wiener Dommuseum mit der Konzentration auf das Gesicht im Dreiviertelprofil, das zum Betrachter zu reden scheint, wurde in seiner Lebendigkeit zum Vorbild für den in den folgenden Jahrhunderten erfolgreichen Porträttypus.

Dürer - Cranach - Holbein. Die Entdeckung des Menschen: Das dt. Porträt um 1500.

KHM, Maria-Theresien-Platz, 1010 Wien

bis 4. 9., Di-So 10-18, Do bis 21 Uhr Katalog herausgegeben von Sabine Haag et al., Wien 2011, 351 S., E 35, www.khm.at

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