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Biomorphe Architektur von der Antike bis Calatrava.

In der Antike trugen steinerne Atlanten und Karyatiden steinernes Gebälk. Baut Santiago Calatrava einen Bahnhof für Frankreichs Hochgeschwindigkeitszug TGV, wird Atlas nur noch von Eingeweihten erkannt. Aber er ist präsent, die tragende Form vom Menschen abgeleitet. In seinen Skizzen, etwa für den Pavillon Kuwaits bei der Weltausstellung in Sevilla, ist der Mensch noch unverfremdet: Hände, die sich zum Dach verschränken oder als Schale öffnen. Mit der Aussage, dass durch Calatravas Brücken und Türme "die Landschaft in ihrer Einzigartigkeit nicht unterworfen, sondern vielmehr gesteigert wird", zitiert Günther Feuerstein in seinem jüngsten Buch den Architekturtheoretiker Tzonis.

Der notorische Ideenspender Feuerstein bietet in seinem zweisprachigen Werk über biomorphe Architektur nicht nur eine umfassende Geschichte des Bauens unter Verwendung lebender Vorbilder von tragenden Elementen in Tier- und Menschengestalt bis zu Corbusiers eigenwilligem Maßsystem "Modulor". Der Bogen reicht von der Hathorsäule über Abt Suger, der St. Denis, den Gründungsbau der Gotik mit seinen anthropomorphen Anspielungen, als Allegorie der Gemeinschaft der Heiligen verstand, bis zu Frank O. Gehrys organisch schwellendem "Haus im Haus" am Berliner Platz in Berlin.

Wie schon Feuersteins Werke über das androgyne Prinzip in der Architektur bietet auch dieses eine Fülle kleiner und größerer Haltegriffe vor dem Abgleiten ins allzu Rationale - dem Architekten ebenso wie jedem, der über die Baukunst nachdenkt. Denn Architektur ist hier noch Baukunst. In welchem Maß sie es auch und gerade für die heutigen Avantgardisten ist, auch dafür öffnet der emeritierte Professor der Linzer Hochschule für Gestaltung, der auch an der TU Wien und der Akademie auf dem Schillerplatz Generationen von Studenten beeinflußte, dem Leser den Blick und den Sinn.

BIOMORPHIC ARCHITECTURE Menschen- und Tiergestalten in der Architektur. Von Günther Feuerstein. Text Deutsch und Englisch. Edition Axel Menges, Stuttgart und London 2002. 188 Seiten, viele Bilder, Ln., e 70,04

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