Miles Davis

Miles Davis: Ein Genius im Kampf mit sich selbst

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Thomas Taborsky über den Film "Miles Davis – Birth of the Cool" von Stanley Nelson.

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Thomas Taborsky über den Film "Miles Davis – Birth of the Cool" von Stanley Nelson.

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Im Nachhinein wirken die Worte wie eine Vorahnung, nicht nur wie die Maxime eines lebenslangen Neuerfinders seiner selbst: „Wenn ich das alte Zeug spiele, werde ich sterben.“ 1991 trat Miles Davis beim Jazzfestival in Montreux auf, gab seit Jahrzehnten erstmals wieder Stücke aus seinem Album „Miles Ahead“ oder aus „Porgy & Bess“ zum Besten. Drei Monate später war er tot, gestorben im Alter von 65 Jahren.

Die Serie an Gesundheits- und Suchtproblemen, die dahin führte, ist im Dokumentarfilm „Miles Davis – Birth of the Cool“ Teil des Erzählbogens. Regisseur Stanley Nelson („Freedom Riders“), einer der profiliertesten Aufbereiter der afroamerikanischen Geschichte, schlüsselt darin die Facetten eines musikalischen Genies auf, das von Bebop über Jazz Fusion bis hin zu Hip-Hop etlichen Stilrichtungen seinen Stempel aufdrückte. Natürlich kommt diese selten still stehende Materialschlacht aus Kontaktabzügen, Aufnahmen hinter den Kulissen und Interviews nicht an den berühmten Tonträgern vorbei.

Gerne wird dann noch einmal ausgebreitet, wie Davis vier LPs in einem Rutsch aufnahm, um seine offenen Verpflichtungen beim Label Prestige zu erfüllen und bei der Columbia unter Vertrag zu kommen. Oder die Genesis des Soundtracks zu Louis Malles „Fahrstuhl zum Schafott“, den der Jazzer live zu den Laufbildern improvisierte. Der kreative Zugang zum Musikschaffen im Moment, die gegenseitige Inspiration in den Kombos, Quintetten und Clubs begleiten durch den Film.

Die Verknüpfungen zu Frankreich und der dadurch erweiterte Blick auf die Heimat USA eröffnen Nelson hingegen die Gelegenheit, ein zusätzliches Schlaglicht auf einen Rassismus zu werfen, der auch vor einem Star nicht Halt machte, ja an ihm nagte und sich auf der Höhe des Erfolgs schmerzlich in Erinnerung rief. Was wiederum begründet, dass Miles Davis lange ein „cleanes“ Auftreten pflegte, heißt sich als Lifestyle-Vorbild herausputzte und als Ergebnis für viele zu einer Art schwarzer Superheld wurde – ein Superheld, an dem schon zu Lebzeiten persönliche Schattenseiten hervortraten.

Immer wieder kehrt der Film zur Aufnahme des Musikers im Boxring zurück, zu seinem Kampf gegen innere Dämonen, die auch im Verhalten Frauen gegenüber Gestalt annehmen. „Miles Davis – Birth of the Cool“ will weder die Legende zerstören noch groß beschönigen, sondern temporeiches Gesamtbild sein – ein Vorhaben,
das ihm überzeugend gelingt.

Miles Davis – Birth of the Cool
USA 2019. Regie: Stanley Nelson. Polyfilm. 115 Min.

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