Minichmayrs Meisterstück

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Absolut sehenswert: Grillparzers Trilogie "Das Goldene Vließ" im Burgtheater

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Absolut sehenswert: Grillparzers Trilogie "Das Goldene Vließ" im Burgtheater

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Wie man ein scheinbar sperriges Werk von insgesamt zehn Aufzügen in knapp drei Stunden ohne entscheidende Substanzverluste auf die Bühne bringen kann, führt der deutsche Regisseur Stephan Kimmig gerade am Burgtheater vor. Seine Inszenierung von Franz Grillparzers Trilogie "Das goldene Vließ" schält aus einem alten Stoff den Kern und holt ihn absolut sehenswert in die Moderne - Regietheater, das dem Werk treu bleibt.

Werktreues Regietheater

Das Werk hat eine politische und eine zutiefst menschliche Dimension, in deren Zentrum Medea steht, Königstochter im abgelegenen Kolchis. Dort herrscht ihr allen Fremden gegenüber misstrauischer Vater Aietes, dort tauchen von Zeit zu Zeit junge griechische Abenteurer auf. Einer von ihnen, Phryxus, büßt im kurzen ersten Teil - "Der Gastfreund - durch Aietes sein Leben und das von ihm aus Delphi geraubte "goldene Vließ", ein wertvolles Widderfell, ein. Im zweiten Teil - "Die Argonauten" - fordert Jason mit seinen Gefährten von dem Kolcherkönig das Vließ, das ihm in Griechenland die Kö- nigswürde eintragen soll und kommt zum Erfolg, da er die Liebe Medeas gewinnt. Der Fluch des Vaters und der Tod ihres Bruders Absyrtus können sie nicht abhalten, Jason mit dem Vließ über das Meer zu begleiten.

Zum Unterschied von anderen Autoren, die sich ganz auf die abschließende "Medea"-Tragödie in Griechenland konzentrieren, schildert Grillparzer ausführlich - Kimmig in aller Kürze, mit sehr vielen Streichungen - diese Vorgeschichte. Jason scheitert beim Versuch, den ihm zustehenden Thron von Jolkos zu erklimmen, er muss in Korinth Zuflucht suchen. Der dortige Herrscher Kreon gewährt ihm und seinen Kindern Asyl, will ihn mit seiner Tochter Kreusa verehelichen und Medea verbannen. Als Jason daraufhin Medea verstößt, sie auch ihre Kinder zurücklassen soll, schlägt die Verzweifelte zurück und tötet Kreusa und ihre Kinder.

Das Vließ spielt an diesem Abend nicht die entscheidende Rolle, obwohl deutlich wird, dass man dahinter her sein kann wie heute hinter Öl oder hinter nur an- und daher vergeblich gesuchten Massenvernichtungswaffen. Die Inszenierung konzentriert sich auf das zeitlos aktuelle menschliche Drama einer Frau, die für den geliebten Mann alles aufgegeben hat und schließlich wie ein Gebrauchsgegenstand "entsorgt" werden soll. Bühne, Kostüme, Requisiten sind modern, es wird geschossen statt gestochen, die einleitende Jagdszene besteht hier aus Musikgymnastik. Diese Art der Inszenierung in modernen Räumen (Bühne: Katja Haß) - Kolchis erinnert an den Festsaal eines Landgasthofes, Korinth an die Mehrzweckhalle einer Kleinstadt am Faschingsende - stört aber kaum, Grillparzers Werk kommt voll zur Geltung. Eilt die Inszenierung aber anfangs kurzatmig durch den Text, so gerät der Schluss relativ langatmig.

Geschossen statt gestochen

Die schauspielerischen Leistungen sind durchwegs beachtlich, ob von Michael Maertens (Jason), Michael König (Aietes), Daniel Jesch (Phryxus), Denis Petkovic (Absyrtus), Johannes Terne (Kreon) oder Sabine Haupt (Kreusa). Doch letztlich lebt die Inszenierung von einer schlicht grandiosen Birgit Minichmayr (Medea), die im glaubwürdigen Wandel vom rotzigen Teenager zur Boarderline-Frau alle Register zieht.

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