"Minka", das bedeutet auf Quechua: Zusammenarbeit

19451960198020002020

Sein Leben gilt dem Vernetzen von Tausenden Menschen. Dafür wurde der Peruaner Francisco San Martín vor Kurzem mit dem Romero-Preis 2018 ausgezeichnet.

19451960198020002020

Sein Leben gilt dem Vernetzen von Tausenden Menschen. Dafür wurde der Peruaner Francisco San Martín vor Kurzem mit dem Romero-Preis 2018 ausgezeichnet.

Werbung
Werbung
Werbung

Marcos Gomez Villanueva und Ronald Alvarez steigen den steilen Hang hinauf. Stolz zeigen sie das neue Becken des Wasserspeichers. 1500 bis 2000 Liter Wasser soll es halten. Von dort werden Kanäle gegraben, die das kostbare Gut zu allen Bauern führen können.

"Wir Kleinbauern sind frei und unabhängig", sagt Marcos. Still und bescheiden kommen die Worte des 60-Jährigen daher. Die Hände des kleinen Mannes sind stark, der Blick sanft. Obwohl er sein hartes Arbeitsleben lang gekämpft hat, um für sich und seine kleine Familie das Überleben zu sichern, hat er dennoch nie das Arbeiten an Visionen verlernt.

Bauern schließen sich zusammen

45 Familien leben im kleinen Ort Carnachique in 2800 Metern Höhe. Gemeinsam mit ihnen versucht Marcos ein gesünderes Leben für die Zukunft seiner Familie aufzubauen. Unterstützt wird er dabei von "Minka" und "Sei so frei", der entwicklungspolitischen Aktion der Katholischen Männerbewegung (KMBÖ), mit viel Know-how zur biologischen Landwirtschaft sowie mit Geld, vor allem für Wasserspeicher. "Minka" - in der Inka-Sprache Quechua bedeutet das Wort "Zusammenarbeit" - ist die Hilfsorganisation, die Francisco San Martín vor 30 Jahren für genau diese Arbeit gegründet hatte.

"Wir leben in einem sehr abgeschlossenen Gebiet und fühlten uns vergessen", erzählt auch Ronald, der mit seinen 39 Jahren soeben das erste Mal Großvater wurde. Alle Mitglieder einer Familie leben hier im Hochland in einem Haus -meistens bis zu vier Generationen. Gemeinsam bewirtschaften sie den kargen Boden, alles mit der Hand, Maschinen gibt es keine.

Vor vier Jahren schlossen sie sich zur Bauernvereinigung zusammen. Ihre Herausforderungen gemeinsam anzugehen, das war das Ziel. Und Herausforderungen gibt es genug. Die Jungen wollen abwandern und auf den Industriefarmen an der Küste arbeiten. Große Pharmafirmen verkaufen den Kleinbauern Saatgut und Setzlinge, die den Boden auslaugen und nicht konservieren. Die Klimaveränderung bringt immer mehr Trockenheit.

"Die Menschen haben verlernt, gesund zu leben, doch jetzt weiß ich selbst, dass gesunde Ernährung stärkt", sagt Marcos. Die Bau-

ernvereinigung schaut darauf, dass die Bauern in Plastiktunneln selbst die Setzlinge züchten können. Ausgefeilte Sprühanlagen versorgen diese mit dem nötigen Wasser. Gleichzeitig wird dadurch der Wasserverbrauch minimiert, ebenso wie durch die Sprenkelanlagen auf den Feldern. Lauch, Kohl, Salat, Sellerie, Mangold, Kartoffel, Brokkoli, Mais, Chili - die Vielfalt der Früchte ist beeindruckend.

"Erst haben wir selbst nicht daran geglaubt, dass es funktionieren kann, jetzt werden wir von den Bauen bewundert, die noch nicht dabei sind", schmunzelt Marcos. Gemeinsam mit "Minka" werden daher immer wieder Schulungen für alle Bauern gemacht -um Saatgut und Setzlinge zu präsentieren, die Anbautechnik zu erläutern und auch zu zeigen, was mit den Produkten gekocht werden kann.

Die Ernte, die nicht in den Eigenkonsum geht, wird in der Kooperative auf den Markt gebracht und so Einkommen für die Bauern geschaffen - wieder mit Unterstützung von "Minka". Trotz des harten Lebens würden die Bauern nie von Carnachique weggehen. Sie erleben seit Kurzem sogar, dass Menschen herziehen. "Die Erde gibt uns zu essen, gibt uns ein Dach über dem Kopf, lässt uns ausruhen", sagen die beiden Bauern abschließend. "Hier sind wir aufgewachsen, hier kennen wir uns aus, hier schaffen wir eine Zukunft in Freiheit für unsere Kinder." Die wöchentlichen Biomärkte fördern die Landwirtschaft im Norden Perus.

Peru -Wien -Salzburg -Peru

1984 kam Francisco San Martín als Student der Publizistik nach Salzburg. Ein Jahr lang hatte er in Wien vorab Deutsch gelernt, denn er wusste: "Die Österreicher schätzen es, wenn man ihre Sprache versteht, so etwas wie ,red daitsch' gehört dazu." Paco -zu Deutsch Franz, wie er noch immer von allen gerufen wird, wollte sich auf das neue Land einlassen: "In Österreich studieren bedeutet große Freiheit und Verantwortung." Als Student kam er mit einem Ticket des Afro-Asiatischen Instituts und wurde damit schon damals von "Sei so frei" gefördert. Von 1984 bis 1990 lebte er in Österreich und dem Diplomstudium folgte noch das Doktoratsstudium. Das Thema seiner Dissertation griff er aus dem Arbeiten auf, das er schon während des Studiums begonnen hatte - es ging um die Gründung von kleinindustriellen Clustern und deren Positionierung am Markt.

Von Beginn an waren seine wissenschaftlichen und beruflichen Ziele, dass er Ideen für lokale und regionale Entwicklung finden wollte. Sowohl in Salzburg als auch in Trujillo, seiner Heimatstadt im Norden von Peru, gründete er gemeinsam mit Studienkollegen und Freunden Vereine und Verbindungen im NGO-Bereich.

Die Gründung von "Minka"

Zurück in Peru baute San Martín die Entwicklungsorganisation "Minka" mithilfe von "Sei so frei" weiter aus. Seither haben sich Hunderte Klein- und Kleinstbetriebe in Netzwerken zusammengetan. Im Obst-und Gemüseanbau, Näh-, Kunst-und Schuhhandwerk, Gastgewerbe oder der biologischen Landwirtschaft wurden Arbeitsplätze geschaffen und Einkommen gesichert. Mit ihrer selbstständigen Arbeit können die Menschen die Entwicklungschancen nützen und befreit in eine würdevolle Zukunft blicken.

Bisher haben circa 20.000 Menschen von der Netzwerkarbeit von "Minka" profitiert. "Niemals aber tragen wir die Partner, es geht immer um das Miteinander." "Minka" liefert vor allem Know-how in den Bereichen Marketing, Vertrieb oder auch Beschaffung von guten Rohstoffen und Samen. "Vernetzung, das ist das magische Wort", betont Francisco San Martín.

Am 16. November wurde San Martin mit dem Romero-Preis der KMBÖ, Österreichs bedeutendster Auszeichnung für Gerechtigkeit, Frieden und Entwicklung überreicht. Die entwicklungspolitische Aktion "Sei so frei" der Männerbewegung unterstützt die Arbeit von Francisco San Martín: 25 Euro versorgen eine Familie mit Bio-Saatgut; 43 Euro ermöglichen die Anschaffung eines Ernte-Sets bestehend aus Scheibtruhe, Pflanzenschere und Erntemesser; 500 Euro kostet die Errichtung eines Wasserspeichers für eine Familie.

Spendeninfo: www.seisofrei.at

Drei Gründer

Marcos Gomez Villanueva, 60 (li.,) und Ronald Alvarez, 39 (re.), waren Gründungsmitglieder der lokalen Biobauernkooperative, die sie gemeinsam mit dem diesjährigen Romero-Preisträger Francisco San Martín (Mi.) gründeten.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung