Es nimmt und nimmt kein Ende: Das Thema sexueller Missbrauch im Schoß der Mutter Kirche bleibt in den globalen Schlagzeilen. Eben veröffentlichte der Nachrichtensender CNN die Rohfassung einer - von den US-Bischöfen in Auftrag gegebenen - Studie, die mehr als 11.000 Anschuldigungen gegen katholische Priester wegen sexuellen Missbrauchs zwischen 1950 und 2002 untersuchte. Vier Prozent der US-Priester, die im Untersuchungszeitraum im Amt waren, hätten sich nach diesen Angaben substanziellen Vorwürfen ausgesetzt gesehen: So vorsichtig man solch konkrete Zahlen aus einem Rohbericht (die Endfassung soll am 27. Februar präsentiert werden) kommentieren sollte, so klar bestätigen sie, dass unter dem Teppich jahrzehntelangen Verschweigens noch viel hervorzukehren ist. Wie gesagt: weltweit.
Der jüngste österreichische Fall aus dem Waldviertel zeigt ebenfalls die "klassischen" Verhaltensmuster: jahrelanges Schweigen der Opfer, gelinde gesagt: halbherzige Reaktion der Kirche in den letzten Jahren usw. Gott sei Dank ist aber auch hierzulande die Trendwende hin zu kirchlicher Transparenz längst geschehen.
Es mag mediale Aufgeregtheit geben, aber ohne diese wird es weiter nicht gehen: In der Kirche darf es kein Vertuschen sexueller Gewalt geben. Dass die katholische Kirche weltweit in den Schlagzeilen ist, soll aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Missbrauchsproblematik weit über den kirchlichen Bereich hinaus geht: Helmut Schüller, der Wiener kirchliche Ombudsmann zum Thema, hat wiederholt darauf hingewiesen, dass in den meisten Fällen Familienväter die Missbrauchstäter sind.
Das exkulpiert keinen einzigen Priester, der sich schuldig gemacht hat. Aber eine gerechte Beurteilung verlangt von der Gesellschaft und den Medien, das ganze Problem im Blick zu haben: Und das ist beileibe mehr als eine Affäre "gefallener Priester".
otto.friedrich@furche.at
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