Missionsgeschichte einmal anders

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Höchst subtil und fein nuanciert inszeniert Regisseur Raven Ruëll das Ein-Mann-Stück "Mission“ des flämischen Autors und Fotografen David Van Reybrouck. Schauspieler Bruno Vanden Broecke brilliert auf der Bühne als Pater André. Bislang der größte Erfolg der Wiener Festwochen.

Ein Missionar befindet sich auf Heimaturlaub. Er steht an einem Pult, vor einem grauen Vorhang. Er rückt die Brille zurecht, blättert in seinem Vortragsmanuskript. Seit Jahrzehnten ist Pater André Missionar im Kongo, jetzt soll er in der Heimat davon berichten.

Wohlstandssorgen in Belgien

Regisseur Raven Ruëll hat in die große Halle E im Museumsquartier einen Volkshochschulraum imaginiert. An der Rampe steht der 37-jährige Schauspieler Bruno Vanden Broecke, und vom ersten Moment an glaubt man ihm alles, was er in den folgenden zwei Stunden erzählen wird: Pater André ist Belgier, um die 70, in den wenigen Wochen Urlaub zu Hause leistet er mehr Seelsorgearbeit als die Jahre über im Kongo. Die Probleme der flämischen Freunde und Geschwister erweisen sich jedoch angesichts der Kriege, die er in Goma erlebt hat, als lächerliche Wohlstandssorgen.

Subtil und fein nuanciert entwickelt Broecke, der deutsch spricht, diese Figur zwischen echtem Anliegen und tiefen Zweifeln. Doch im Laufe des affirmativ intendierten Vortrags bricht die Skepsis eines Menschen durch, der sein Bestes gibt und an der Wirklichkeit immer wieder scheitert.

Der flämische Autor und Fotograf David Van Reybrouck nannte seinen Monolog schlicht "Mission“ und gebraucht einen Titel, der aufgrund der Mittel, mit denen Jahrhunderte lang an der Seite der Kolonialmächte christianisiert wurde, geschichtlich schwer belastet ist.

Van Reybrouck, der über Jahre hinweg afrikanische Länder und vor allem den Kongo bereiste, nähert sich in seinem Text der heutigen Arbeit von Missionaren an und hinterfragt dabei eine oberflächliche, tief verinnerlichte postkoloniale Kritik an deren Tun sowie das Misstrauen am Engagement der Kirche. Nächstenliebe sei nur ein Vorwand, um der nicht "zivilisierten“ Bevölkerung Afrikas westliche und katholische Werte aufzuzwingen. Van Reybroucks These aber lautet, dass sich dieser kritische Diskurs unreflektiert auf die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts beziehe und die gegenwärtige Lage gar nicht wahrnehme. Dem Dramatiker geht es aber nicht um die Etablierung eines neuen Bewusstseins für die Bedeutung missionarischer Tätigkeit - sondern um die Frage nach dem Individuum, nach dem Menschen, der hinter dem Engagement steht. Über die Darstellung des Einzelschicksals entkommt er der Gefahr, ins Klischee zu tappen.

Im Spiel von Broecke brechen außergewöhnliche Willenskraft und Mut an der Realität eines geschundenen Körpers. Von den vielen Motorradstürzen ist ihm ein steifes Knie geblieben. Der leichte Buckel sowie viele andere Beschwerden erschließen sich über Broeckes Körperspiel.

Schwarzhumorig erzählt er aber auch von den naiven Vorbereitungen der Societas Missionariorum Africae (der "weißen Väter“) für das Missionarsleben, "immerhin war ich es gewöhnt, unter Schwarzen zu leben, als Sohn eines Kohlenhändlers“. Resigniert kritisiert er die Vorgaben, wenn er etwa unzählige Male den Satz "das Christentum ist eine unerschütterliche Wahrheit“ wiederholen musste. Die wesentlichen Dinge, die man in Afrika braucht, sind weltlicher Natur: ein Moskitonetz, ein Tropenhelm, eine Zange zum Zähneziehen und erst dann kommen die Geräte für die heilige Messe.

Echte Probleme in Afrika

Zwischen zynischen Bemerkungen, die den Alltag des afrikanischen Lebens, entsetzliche Kriegsverbrechen, Morde, unfassbare Brutalität in Worte bringen sollen, bricht die Einsamkeit archaisch durch: Am Ende, wenn rettende Selbstironie keine Hilfe mehr bietet, brüllt André nach Gott. Die Verstärker jagen seinen Schrei als Echo durch die Halle E, ein tropisches Gewitter bricht zugleich aus. Ein grauer Vorhang hebt sich, auf einer Terrasse liegen tote Raubkatzen und ein Adler. Der Adler - Symbol für den Schutz Gottes - ist inmitten Afrikas Wirklichkeit machtlos, "Mission“ hingegen bislang der größte Erfolg der Wiener Festwochen.

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