Mit dem Ballon in den Honeymoon

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Die erste Musiktheaterpremiere der neuen Volksopernsaison galt einem der größten Broadway-Erfolge, #Hello Dolly#, an dessen Wiege übrigens Johann Nestroy steht. Trotz Einschränkungen # nicht alle Darsteller überzeugten restlos, das Orchester war durchschnittlich # eine runde Sache.

Jerry Hermans Musical #Helly Dolly# erlebte seine Uraufführung 1964 am New Yorker St. James Theatre. Begonnen hat die Geschichte dieses Werks 1835 mit John Oxenfords Farce #A Day Well Spent#. Sie inspirierte Johann Nestroy zu seiner Posse #Einen Jux will er sich machen#. Diese nahm sich Thornton Wilder zum Vorbild für seine Farce #The Matchmaker#. Wobei er Nestroys Komödie über zwei Vorstadtangestellte, die sich abenteuerlustig auf den Weg in die große Stadt machen, um die Figur der Dolly Levi ergänzte, deren Ziel die Heirat mit Horace Vandersteene, dem reichsten Kaufmann der Stadt, ist.

Michael Stewart formte daraus ein Libretto, Jerry Herman vertonte es und machte es zum Erfolgsstück. Oder war es doch Louis Armstrong, der den Titelsong bereits vor der Uraufführung in einer Dixieland-Version präsentierte, der sich über drei Millionen Mal verkaufte? #Hello Dolly# wurde jedenfalls rasch zu einem Hollywood-Renner der Sonderklasse, lief sieben Jahre lang jeden Abend am Broadway und wurde mit über 2800 Vorstellungen zum bis dahin zweitgrößten Broadway-Erfolg # nur übertroffen von Bocks #Fiddler on the Roof#.

1966 kam es zur deutschsprachigen Erstaufführung in Düsseldorf, 1968 folgte das Theater an der Wien, im März 1984 die Erstaufführung an der Wiener Volksoper: Robert Herzl führte Regie, Rudolf Bibl dirigierte, Dagmar Koller gab die Titelrolle, als Horace Vandergelder war zuerst Rudolf Wasserlof zu sehen, später Harald Serafin.

Viel, liest man in Musical-Führern, sei an dem Werk nicht dran. Das Libretto sei anspruchslos, die Handlung ohne tieferen Sinn, schon am Beginn wisse man, wie das Stück ausgehe. Und musikalisch sei es allzu konventionell, darüber könne selbst der eine oder andere Schlager nicht hinwegtäuschen. Ob diese Kommentare nicht zu kurz greifen?

Keine Angst vor Pointen

Denn bei allem komödiantischem Schwung, der hier zweieinhalb Stunden ausgebreitet wird, bei allen slapstickhaften Zutaten, die dazu serviert werden, ist es ein durchaus aktuelles Thema, das in diesem Werk angeschlagen wird: dass jemand für etwas engagiert wird, das er schließlich zu seiner ureigenen Sache macht. Nur dass es hier keiner Findungskommission bedarf, um sich selbst zu finden, sondern bloß seiner selbst als findige Person.

Sie hat man in dieser Inszenierung in der bei der Premiere vokal langsam in Fahrt kommenden, dann zielstrebig ihren Charme versprühenden Sigrid Hauser gefunden. Von Anfang an lässt sie keinen Zweifel, dass sie diesmal ihre Profession als Heiratsvermittlerin für sich nützen wird. Selbst wenn es ihr angestrebtes Opfer, Horace Vandergelder, wie sie verwitwet, lange Zeit nicht so sehen will, wie es sein Darsteller, Robert Meyer, impulsiv vermittelt. Wie überhaupt Regisseur Josef Ernst Köpplinger auf eine möglichst vitale Zeichnung der Darsteller Wert legt, aber auch vor effektvollen Pointen nicht zurückschreckt. Etwa, wenn er im Finale Dolly und ihren Horace zu ihrem zweiten Honeymoon in den Ballon steigen lässt.

Guter Chor, routiniertes Ballett

Mehr spielerisch mehr als gesanglich überzeugt Daniel Prohaska als Cornelius. Volksoperndebütant Peter Lesiak gibt einen zu outrierten Barnaby. Nadine Zeintl spielt die Minnie ganz so, wie man sich eine kleine Verkäuferin vorstellt. Katja Reicherts Irene Molloy fehlt es an Natürlichkeit und vokaler Souveränität. Johanna Arrouas geriert sich als hysterische Ermengarde, Jeffrey Treganza demonstriert glaubhaft, dass er erst am Beginn einer künstlerischen Laufbahn steht. Rollendeckend die übrige Besetzung.

Ideal reflektiert Sam Madwars atmosphärisches Bühnenbild # ein Raumteiler mit Stiegenaufgängen und genügend Platz für das Suggerieren der einzelnen Schauplätze # das im Stück angesprochene New York um 1890. Einiges von diesem subtilen Stückverständnis hätte man sich vom Dirigat von John Owen Edwards erwartet, entsprechend durchschnittlich musizierte das Orchester. Gut studiert zeigte sich der Chor, routiniert das Ballett.

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