Mit dem Schiff ins Binnenland

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Gemächlich tuckert man durch schöne Landschaften, hin und wieder sind Schleusen eigenhändig zu öffnen: Urlaubsreisen auf dem Hausboot.

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Gemächlich tuckert man durch schöne Landschaften, hin und wieder sind Schleusen eigenhändig zu öffnen: Urlaubsreisen auf dem Hausboot.

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Wir waren die ersten in Österreich, die auch Frankreich und Holland dabei haben", freut sich Martin Hinterhofer von den "Terramarin Hausbootreisen" in St. Pölten. Seit 1983 hat er seine Konzession, von verschiedenen Basen in Frankreich, Holland, Belgien, Deutschland, Irland, England, Schottland oder Italien Boote zu vergeben. Die Idee dazu kam mit seinen Kindern. "Als wir jünger waren, sind wir immer als größere Gruppe segeln gegangen", bekennt Hinterhofer seine Liebe zum Wasser. "Wir wollten naturverbundene Urlaube machen, und nicht ins Hotel gehen, aber was machen kleine Kinder auf einem Segelboot?" Der Familienzuwachs ließ wochenlange Segeltrips auf engstem Raum nicht mehr zu.

Man suchte nach einer Alternative und fand sie: "Das Hausboot ist die familienfreundlichste Urlaubsform," ist Hinterhofer überzeugt. "Da kann man bei einer Stadt anlegen, und ist sofort an Spielplätzen, wenn Kinder quengelig werden." Mit seiner Segel-erfahrung hat er es leicht. Denn Stadtmenschen, Bücherwürmer, Nachtschwärmer oder ähnlich unpraktische Menschen müssen sich erst einige Fähigkeiten anlernen: Schleusen öffnen, zum Beispiel. So kostet in Frankreich das Passieren einer Schleuse nichts, dafür muß man sie selbst bedienen können.

Jacques, Manager auf der Bootsbasis, erklärt technische Details, und schon geht es für Karin Hinterhofer, Ingrid Lender, Monika Rupp und Brigitte Melchus auf ins Vergnügen: die erste Hausbootfahrt, am Fluß Lot entlang. "Have much fun", wünscht Erika, die Basisbetreuerin, den Pionierinnen zum ersten eigenen Schleusenöffen in Mercues. "Die Schleuse bei der Mühle Coty bereitete uns Schwierigkeiten, denn sie wollte sich partout nicht öffnen lassen", steht in ihrem Reisebericht später zu lesen. Geschafft hat es die Damencrew, die im Hausboot "Star" unterwegs war, dann doch. Sogar die Schönheit der Mühle als Fotomotiv wird noch erwähnt. Die "Le Lot"-Fahrt der vier war nicht nur unbeschwertes Dahintuckern, doch die Bewältigung kleiner Pannen klingt nach dem meisten Spaß. "Unsere Fahrt dauert nicht sehr lange, eine kleine Insel wird uns zum Verhängnis, wir sitzen fest! Zum Glück haben wir ein kleines Beiboot mitbekommen, das uns jetzt gute Dienste leistet. Mit vereinten Kräften gelingt es, das Boot wieder flott zu bekommen, allerdings geht Monika dabei im wahrsten Sinne des Wortes baden." Wasserscheu sollte man nicht sein.

"In der Botanik übernachten und einfach stehenbleiben, wo es einem gefällt", schwärmt Hinterhofer. Genauso, wie die Handhabung von Schleusen von Land zu Land verschieden ist, muß man sich auch über Anlegeplätze informieren. Die so liberalen Niederlande sind bei der Vergabe sehr bürokratisch, der Platzmangel in den kleinen, flachen Kanälen erfordert eine klare Regelung. In Irland wieder ist alles viel freier und natürlicher. Den Nachteil des vielkolportierten irischen Regens läßt Hinterhofer nicht gelten. "Es gibt kein schlechtes Wetter, es gibt nur eine falsche Kleidung." Dafür ist auch das Sozialverhalten der Witterung angepaßt. "Wenn man in Irland mit Gummistiefel und einem Regenmantel tropfend in ein Pub kommt, ist das kein Problem. In Österreich schaut mich jeder schief an." Die Auswahl der angebotenen Boote ist groß. "Crown Blue Line" oder "Manor House Marina" heißen die irischen Veranstalter, "Royal Star", "Noble Princess" oder "Noble Admiral" die Boote.

Mit Robinson Crusoe und wackeligen Rudernachen haben diese kleinen Schiffe nichts zu tun. Radio, Fernseher, Beiboot sind genauso dabei wie Salon, Doppel -oder Einzelbetten, Dusche und WC. Der Fluß, auf dem man tuckert, dient nur als Verkehrsweg, zur Körperreinigung muß er nicht herhalten. Zu empfehlen ist bei allem gebotenen Komfort, das Boot nicht bis an die Kapazitätsgrenze auszulasten. "Es kommen manchmal Jugendgruppen, die nehmen irgendein Boot und belegen es bis zum letzten Platz, die wollen einfach, daß mehr los ist." Nach durchzechten Nächten wird egal, wer in welche Koje kriecht. "Die, die überbleiben, fallen halt im Salon um!" Natürlich hat das Verhalten der Jungen auch ökonomische Gründe. So kommt das Zweipersonenboot "Crystal" in Holland pro Woche in der Nebensaison auf 8.450 Schilling, von Mitte Juli bis Ende August auf 12.100 Schilling. Nimmt man sich die mit Doppelbett im Salon auf vier Personen erweiterbare Variante "Cirrus", zahlt man in der Nebensaison 400, in der Hauptsaison 2.620 Schilling mehr und kann den Preis durch vier teilen. Zuschlag ist allerdings auch noch zu leisten. Wählt man die großzügigen Vier, und verzichtet auf die erweiterbaren Zwei, kommt ein normales Boot auf 10.240, ein sehr komfortables auf 13.310 Schilling in der Vorsaison. Zu Spitzenzeiten kosten die Modelle 17.020, beziehungsweise 22.210 Schilling.

Sparen an Platz und Boot könnte sich aber auf das Klima an Bord sehr negativ auswirken. Immerhin verbringt man zwischen einer Woche und einem Monat im schwimmenden Domizil. "Die Idealbesetzung sind vier bis sechs Personen", rät Hinterhofer, "zu zweit hat man an den Schleusen mit dem Leinenzuwerfen viel zu tun, und weniger Gaudi."

Einschulung gibt es auf alle Fälle vorher, auch Pannenhilfen an den Basen für den Notfall. Trotzdem sind unerfahrene Wasserratten oft unsicher. "Wenn jemand gar nicht weiß, wie es funktioniert, kann er ja einmal eine Woche fahren, und schauen, ob man sich verträgt." Ganz wesentlich bleibt nämlich die "Chemie" zwischen denen, die sich ein Boot teilen.

Führerschein braucht man zum Hausbootfahren keinen, nur im korrekten Deutschland besteht man darauf. Führerscheinlose müssen auf die Schönheiten der Bundesrepublik zu Wasser verzichten und entweder in die Bahn umsteigen, oder sich einen fahrkundigen Bootspartner angeln. Der sollte aber gut ausgesucht sein, denn: eine Woche am Hausboot mit dem richtigen Menschen ist ein Traum. Eine Woche mit dem falschen eine Katastrophe.

Terramarin Hausboot & Reisen Tel.: 02742/71 777

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