Mit friedlichen Mitteln gegen den Krieg

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Leymah Gbowee ist 17 Jahre alt, als ihr geregeltes Leben als Tochter einer Familie, die sich in den Mittelstand hochgearbeitet hat, von einem Tag auf den anderen zerbricht. Der Kriegsherr Charles Taylor marschiert 1989 mit Bewaffneten von der Elfenbeinküste in Liberia ein und stürzte den damaligen Präsidenten Samuel Doe. Der erste Bürgerkrieg beginnt. Haben Gbowee und ihre Schwestern früher nach der Privatschule Schwimmstunden genommen oder sich bei den Pfadfindern engagiert, so sieht ihr Leben plötzlich ganz anders aus. Immer wieder muss die Familie nach Ghana fliehen.

Sich vor den Radios versammelnd, lauschen die Liberianer den Vorgängen in ihrem Land. Charles Taylor und seine Truppen werden immer mächtiger. Vor allem die "Small Boy Units", bestehend aus Kindersoldaten, die Taylor mit Drogen aufputscht, werden gefürchtet. Sie werden zum Töten und Vergewaltigen erzogen und kennen keine Skrupel. Ihnen wird sich Gbowee - zum Unverständnis vieler -nach Ende des Bürgerkriegs annehmen und versuchen, sie wieder in die Gesellschaft zu integrieren. Viel ist seit damals passiert, in Liberia sowie in Gbowees Leben, das eng mit dem Schicksal ihres Landes verwoben ist. 2011 erhielt die heute 42-Jährige für ihr Engagement den Friedensnobelpreis. Dabei sah auch das Leben der Friedens-und Frauenaktivistin nicht immer rosig aus.

Im Flüchtlingslager verliebt sie sich in einen jungen, verheirateten Mann. Als sie merkt, dass er ihr nicht gut tut, ist sie bereits schwanger. Ihre religiösen Eltern sind enttäuscht, wenden sich von ihr ab. Ihr Freund wird indes immer gewalttätiger. In einer Vorlesung hört Gbowee von häuslicher Gewalt und zieht bald Parallelen zu militärischer Gewalt, zum Krieg. Als Gbowee davon hört, dass ein aussichtsreicher Friedensvertrag unterzeichnet worden ist, reist sie alleine mit ihren mittlerweile drei Kindern zurück in die Heimat. 1997 wird Taylor von 75 Prozent der Liberianer zum Präsidenten gewählt. Sein Wahlspruch lautete "Wenn ihr mich wählt, höre ich auf zu kämpfen".

Beten für den Frieden

Gewalt gegen Frauen gehört während der blutigen Auseinandersetzungen zu den häufigsten Verbrechen der sich bekämpfenden Gruppen: Laut UN-Schätzungen wurden in den ersten sieben Jahren des Bürgerkriegs mehr als die Hälfte der liberianischen Mädchen und Frauen mindestens einmal vergewaltigt.

Gbowee beginnt als Traumatherapeutin zu arbeiten und nimmt ein Studium an der Eastern Mennonite University auf. Als 1999 die Rebellenorganisation LURD (Liberia United for Reconciliation and Democracy) mit ihren Angriffen beginnt, und der zweite Bürgerkrieg ausbricht, bietet sie Traumaworkshops an, welche sich ausschließlich an Frauen richten. Doch Gbowee erkennt, dass sich die offene Wunden der Frauen nicht heilen lassen, solange die Ursache nicht ausreichend bekämpft wird - solange Bürgerkrieg herrscht. Kurz nach ihrer Graduierung gründet Gbowee gemeinsam mit anderen Frauen das Frauennetzwerk für Friedensstiftung WIPNET. Als sich der Bürgerkrieg zuspitzt, evakuiert Gbowee ihre Familie wieder nach Ghana. Sie selbst kehrt jedoch in die Hauptstadt Monrovia zurück und wird in der Folge das Schicksal ihres Landes wesentlich mitbestimmen.

Gbowee hat einen Traum, der sie von da an motiviert: Eine Stimme spricht zu ihr und sagt, sie möge die Frauen zusammenbringen, damit sie für den Frieden beten. Also beginnt Gbowee 2002 damit, Gebetskreise abzuhalten. Die Frauen, die zu diesen Treffen kommen, erscheinen immer zahlreicher, je mehr sich die Lage in Liberia zu spitzt. Es gelingt Gbowee, Frauen über alle religiösen und ethnischen Grenzen hinweg zusammenzurufen. Christinnen und Musliminnen, Kreolinnen und Mandika beten gemeinsam für den Frieden in ihrem Land. Doch bald merken die Frauen, dass es mehr braucht, um die sich bekämpfenden Gruppen -wozu nun auch die Rebellen MODEL (Movement for Democracy in Liberia) gehören -dazu zu bringen, Friedensverhandlungen aufzunehmen.

Demonstrationen am Fischmarkt

Im Radio rufen die Frauen zu einer Friedenskundgebung auf. Mehr als 2000 Liberianerinnen versammeln sich, trotz des von Taylor ausgerufenen Notstands und Demonstrationsverbotes. Unter der Leitung von Gbowee harren sie nun jeden Tag am Fischmarkt aus, einem Platz, wo Taylor mehrmals täglich mit seinem Konvoi auf dem Weg zur Arbeit vorbeifährt. Die Frauen sind ganz in Weiß gekleidet. Sie tanzen und singen ihren Friedenssong: "We want peace. No more war." Schließlich willigt Taylor ein, die "White Ladies", wie die friedlich demonstrierenden Frauen genannt werden, zu empfangen. Gbowee trägt dort das Anliegen der Frauen, den Krieg endlich zu beenden, vor. Nachdem auch der internationale Druck auf Taylor steigt, willigt er ein, an den Friedensverhandlungen in Accra teilzunehmen.

Frieden als Prozess

Einige der Frauen beschließen, ebenfalls nach Accra zu gehen, um weiter Druck auf die Verhandlungsparteien ausüben zu können. Sie werden als Vermittler anerkannt, hinter den Kulissen verhandeln sie mit den Konfliktparteien. Sechs Wochen dauern die Gespräche an, ohne dass sich eine Lösung abzeichnet. Für die Kriegsherren sei der Aufenthalt in Accra wohl wie Urlaub gewesen, sagt Gbowee in der Dokumentation "Pray the Devil Back to Hell". Um die Männer dazu zu bringen, endlich einen Friendesnvertrag zu unterzeichnen, setzen sich die "White Ladies" vor die Türen des Verhandlungssaals um die Männer am Verlassen zu hindern. Und tatsächlich nehmen die Verhandlungen nach diesem Ereignis plötzlich Form an. Zwei Wochen später wird ein Friedensabkommen unterzeichnet. 2005 wird Ellen Johnson Shirleaf als ertse Frau in Afrika zur Präsidentin von Liberia gewählt.

In 14 Jahren Bürgerkrieg mussten 1,5 Millionen Liberianer fliehen. 200.000 Menschen sind tot. Man möchte sich nicht vorstellen, wie viel mehr Opfer Liberia zu beklagen hätte, wäre der Aktivismus von Gbowee nicht gewesen. 2011 erhielt sie gemeinsam mit Ellen Johnson Sirleaf und der Jemenitin Tawakkul Karman den Friedensnobelpreis. Gbowee hört nicht auf sich zu engagieren und leitet heute das "Women Peace and Security Network Africa" (WIPSEN), das sich für die Partizipation von Frauen an Friedensbildungsprozessen einsetzt. In Ghana gibt es etwa ein eigenes Projekt, das die Führungsfähigkeiten von jungen Frauen stärken soll.

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