Werbung
Werbung
Werbung

Der Alltag verlangt von uns zumeist präzise Wortwahl und exaktes Befolgen der Grammatik. Stilistische Merkmale und leibeigene Vokabel wiederum machen die verbale Physiognomie eines Sprechers aus. Da tut bisweilen eine Nische gut, in der nicht Originalität gefragt ist, die uns vielmehr bequem mit Floskeln, Formeln und Redensarten versorgt: vor allem die Rituale, die Begrüßung, Verabschiedung und Danksagung.

Nur wenige antworten auf die Frage "Wie geht es Ihnen?" mit einem detaillierten Bericht über das aktuelle Befinden. Eine Ausnahme bildet vielleicht das Gespräch mit dem Arzt: Doch der verwendet ja eher den Mediziner-Plural: "Wie geht es uns?" Friedrich Torberg hatte einst Autoren empfohlen, ihren Verleger mit der Variante "Wie gehe ich?" zu begrüßen. Wer sich erstmals in England aufhält, mag die Wendung "You are welcome!" noch für eine persönliche Auszeichnung halten, ehe er sie als Phrase durchschaut.

Bestimmte Wörter haben eine modische Halbwertszeit. So war bis vor kurzem das Adjektiv interessant allgegenwärtig. "Das ist eine interessante Frage!" verschaffte dem Redner eine willkommene Bedenkzeit. Heute erscheint der Ausdruck bis auf Widerruf vom Konkurrenten spannend abgelöst zu sein.

"Herzlichen Dank!" ist die Standardfloskel schlechthin, knapp gefolgt von "Vielen Dank". Sprachbewusste Zeitgenossen suchen der Leerformel zu entkommen. So schickte mir Peter Handke für meine Durchsicht seiner "Ödipus"-Übertragung pointiert einen "kräftigen Dank".

Der Abschied lässt uns nur wenig Spielraum, will man nicht am Jargon der Teens und Twens mitnaschen. Dass ein zerstreuter Besucher die Privataudienz beim Papst mit "Handkuss an die gnädige Frau!" beendete, ist bloß die Pointe eines Bobby-Witzes. Andernfalls wäre es allerdings ein unheimlich starker Abgang.

Der Autor ist Professor für Sprachwissenschaft in Salzburg.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung