"Mit Öl und Butterschmalz"

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Luxus-Version des "Rosenkavalier" bei den Salzburger Festspielen als Abgesang auf die morsche Donaumonarchie.

Geht es um einen Säulenheiligen, werden bei den Salzburger Festspielen keine Mühen gescheut. Daher hat man den "Rosenkavalier", zu dem ihr Mitbegründer Hugo von Hofmannsthal das Libretto verfasst hat und der hier seit neun Jahren nicht mehr gespielt wurde, in einer absoluten Luxus-Version auf die Bühne gewuchtet. Selbst dem ORF war das eine Live-Übertragung der Premiere wert.

Opulenteste Bühnenbilder (Peter Pabst), ein enormer Aufwand an menschlichem wie tierischem Personal, ein Ensemble, das bis in die kleinsten Partien sehr gut besetzt ist und vor allem eine hervorragende musikalische Interpretation: Der russische Dirigent Semyon Bychkov hat den Wiener Ton der Musik von Richard Strauss perfekt getroffen. Bei den innigen Passagen, etwa der Melancholie der Marschallin am Ende des ersten Akts, und bei den herrlichen Walzern, die Strauß perfiderweise der anachronistischen Figur des Ochs auf den Leib geschrieben hat, flüstern die Geigen, dass einem das Herz übergeht. Da greifen die Wiener Philharmoniker tief in den Schmalztopf, so wie es sich Strauss vorgestellt hat, der in einem Brief an Hofmannsthal mit "Öl und Butterschmalz" zu komponieren versprach.

Diese Wienerischste aller Opern hat Robert Carsen aus dem fernen Rokoko in die Zeit ihrer Entstehung versetzt, in die letzten Jahre der morschen Donaumonarchie; so viel k.u.k.-Flair versprühte wohl kaum je ein "Rosenkavalier". Der Regisseur zeigt eine zerfallende Gesellschaft, die nur noch mühsam von überkommenen Ritualen und Phrasen zusammengehalten wird, in der aber ein potentes Bürgertum den Adel schon längst überflügelt hat und sich die Arbeiterschaft zu organisieren beginnt.

Der erste Akt ist ganz konventionell inszeniert. Makellos und nobel singt Adrianne Pieczonka die Marschallin, die sich nach der Nacht mit ihrem jugendlichen Liebhaber zum ersten Mal der Vergänglichkeit bewusst wird. Angelika Kirchschlager hat sich mit diesem quirligen, anfangs naiv-schwärmerischen Oktavian wohl endgültig als Spitzensängerin etabliert. Baron Ochs auf Lerchenau, trefflich verkörpert von Franz Hawlata, ist hier nicht die übliche Witzfigur, sondern ein hoher Armeeoffizier, hinter dessen rustikalem Charme und walzerberauschter Heurigenseligkeit ein hartherziger, machtbewusster Mann steckt. Dass ihm am Schluss übel mitgespielt wird, ist weniger eine persönliche Niederlage denn Sinnbild des endgültigen Niederganges eines Standes.

Ein riesiges Schlachtengemälde, das über die ganze Bühne reicht, zeigt im zweiten Akt deutlich, wo man hier ist: im Stadtpalais eines bürgerlichen Emporkömmlings, der es als Waffenhändler zu Reichtum gebracht hat. Franz Grundheber ist ein gesanglich grundsolider Herr von Faninal, weit entfernt von einer Buffo-Figur. Tadellos auch Miah Persson als seine Tochter Sophie, die sich mit Abscheu von dem versprochenen Bräutigam Ochs abwendet und in den Armen Oktavians landet.

Der dritte Akt schließlich - und hier liegt der Grund dafür, dass diese Aufführung auch angefeindet wird - spielt nicht in einem Gasthaus, sondern in einem Bordell, das vor allem von Uniformierten frequentiert wird. Dabei bleibt Carsens Regie erstaunlich nahe am Libretto, wenngleich in etwas verschobener Manier: Wenn der Ochs zum Beispiel entgeistert fragt: "Was war denn das?", dann nicht, weil er einen an der Intrige Beteiligten durchs Zimmer hat huschen sehen, sondern weil ein nackter Bordellbesucher den Raum betreten und seelenruhig nach seiner Armbanduhr gesucht hat. Das Tête à tête hingegen wird auf den Kopf gestellt. Nicht der Ochs versucht den als Kammerzofe verkleideten Oktavian zu verführen, sondern das vermeintliche unschuldige Mädel nimmt die Initiative derart in die Hand, dass den alten Macho die "Kongestion" befällt. Heute gibt es für solche Fälle Viagra, doch in diesem Rosenkavalier verfügen allein die Frauen über eine erfüllte, befreite Sexualität. Wenn sich am Ende Oktavian und Sophie im selben Bett in der selben Position umarmen wie ganz zu Beginn die Marschallin und Oktavian, so erinnert dies unweigerlich an Arthur Schnitzler.

Was in der TV-Übertragung aufgesetzt wirkte, machte bei der zweiten Aufführung vor Ort durchaus Sinn: Kaum sind die letzten Takte verklungen, legt der "kleine Neger" die Uniform an, während aus dem Hintergrund eine ganze Armee aufmarschiert. Dann fallen die Soldaten, reihenweise. Man darf nicht vergessen: Heuer jährt sich der Ausbruch des Ersten Weltkrieges, der Kakaniens Ende bedeutete, zum 80. Mal.

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