Mit Verkehrspolitik Leben retten

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Licht am Tag, Handyverbot und Vormerksystem sind neben Tempo 160 Maßnahmen, die die Verkehrspolitik immer wieder ins Gespräch gebracht haben. Wie sinnvoll sind solche Regelungen - und was wäre für mehr Sicherheit auf der Straße noch nötig?

Bei aller Tragik, die hinter den anonymen Zahlen der Unfallstatistik des Jahres 2005 steckt, ist diese doch auch positiv: Zwar sind im Vorjahr 768 Menschen auf österreichischen Straßen ums Leben gekommen. Aber das waren 110 Verunglückte weniger als im Jahr 2004 - die niedrigste Zahl seit Bestehen der Unfallstatistik. Ein wichtiger Schritt in Richtung Ziel: Das 'Österreichische Verkehrssicherheitsprogramm 2002-2010" des Verkehrsministeriums sieht vor, bis 2010 die Zahl der Verkehrsopfer auf höchstens 500 zu reduzieren. Schließlich ist in Österreich das Risiko, im Straßenverkehr zu sterben, noch immer etwa doppelt so hoch wie etwa in Schweden.

Lob für eigene Politik

Als Grund für den Teilerfolg im Vorjahr sieht Verkehrsminister Hubert Gorbach (BZO) hauptsächlich seine Verkehrspolitik. Verschiedenste Umsetzungsschritte des Verkehrssicherheitsprogramms, etwa Licht am Tag, Vormerksystem, Führerscheinreform und die derzeit laufende Kampagne 'Gurte retten Leben", hätten die beabsichtigten Effekte gezeigt.

Ganz so sicher, ob die Begründung so einfach ist, ist sich Wolfgang Berger vom Institut für Verkehrswesen der Universität für Bodenkultur in Wien aber nicht: Er vermutet eher einen 'Mix an Umständen, die zum Tragen kommen". Dazu gehörten auch die Maßnahmen des Verkehrsministeriums: 'Allein durch die Diskussionen darüber wurde das Thema Verkehrssicherheit präsenter, was den Leuten die Risiken im Straßenverkehr bewusst gemacht hat." Das allein, sagt Berger, habe aber wohl nicht die Reduktion bewirkt. Er hat sich Gedanken gemacht, warum gerade im Jahr 2004 und 2005 die Opferzahlen deutlich gesunken sind, während sie in den Jahren davor stagnierten. 'In beiden Jahren waren die Sommer nicht besonders schön und die Winter lang." Umstände, die die gefahrenen Kilometer und das Durchschnittstempo reduzieren. Und so 'passieren etwa im Winter zwar mehr, aber weniger schwere Unfälle." Ebenfalls positiv wirke sich aus, dass die Fahrzeugtechnik immer ausgereifter werde und die Erstversorgung immer schneller und besser erfolge.

Aber auch wenn die Verkehrspolitik nicht die einzige Ursache für die geringere Zahl an Unfalltoten sei, stellt Berger dem Verkehrsministerium ein positives Zeugnis aus. 'Abgesehen von dem Tempo-160-Test (siehe Seite 3, Anm.), den ich aus Sicherheitsgründen völlig ablehne, sind wichtige Maßnahmen gesetzt worden." Etwa die Pflicht, auch tagsüber mit Licht zu fahren, auch wenn Bedenken bestünden, dass dadurch nicht beleuchtete Verkehrsteilnehmer wie Fußgänger schlechter wahrgenommen würden. 'Aber dafür nimmt der Fußgänger die Autos besser wahr. Und der tut sich schließlich - unabhängig davon, wer im Recht ist - meistens leichter, einen Unfall zu verhindern." Auch Motorradfahrer würden die Autos besser sehen und könnten entsprechend früher reagieren.

Ein weiterer wichtiger Schritt war laut Berger das Vormerksystem, bei dem 13 Gesetzesübertretungen wie Alkohol am Steuer, Überfahren von Stoppsignalen oder Drängeln im Wiederholungsfall mit Schulungen oder Führerscheinentzug geahndet werden. 'Dass Geschwindigkeitsübertretungen kein Vormerkdelikt sind, ist freilich ein großer Fehler. Schließlich sind sie die Unfallursache Nummer eins."

Eine richtige Maßnahme wäre an sich auch das Verbot, Mobiltelefone am Steuer zu verbieten. 'Aber das wird nicht exekutiert", klagt Berger, 'und bringt entsprechend wenig." Nach Angaben des Kuratoriums für Verkehrssicherheit (kfv) kümmern sich dementsprechend rund 50 Prozent der Autofahrer nicht um das Verbot. Der Verzicht auf eine Freisprechanlage ziehe aber 40 Prozent mehr Fahrfehler nach sich.

Ob Maßnahmen, die die Verkehrssicherheit erhöhen, tatsächlich eingeführt werden, hängt zu einem großen Teil von den Kosten für ihre Einrichtung und laufende Kontrolle ab, die mit den Kosten für die verhinderten Unfälle gegengerechnet werden können. Ein Toter etwa wird mit einer Million Euro Schaden für die Volkswirtschaft veranschlagt. Laut Verkehrsclub Österreich (VCO) kosten Verkehrsunfälle jährlich 7,1 Milliarden Euro, aber 4,9 Milliarden davon werden nicht von den Verursachern getragen. Eine Erhebung aus Finnland und Schweden zeigt, dass mit kosteneffizienten Maßnahmen 53 bis 60 Prozent aller Verkehrsunfälle vermeidbar wären. 20 Prozent der Unfälle lassen sich nach heutiger Kenntnis nicht vermeiden. Die übrigen Unfälle zu verhindern, wäre schlicht und einfach zu teuer. Als Beispiel für ökonomisch sinnlose Maßnahmen nennt Ursula Messner, Sprecherin des KfV, die Einführung von Geisterfahrer-Krallen an allen Autobahnabfahrten. 'Geisterfahrer sind in der öffentlichen Wahrnehmung sehr präsent, in der Realität aber absolute Randerscheinungen. Sie überall mit den Krallen verhindern zu wollen, wäre viel zu teuer."

Laut Wolfgang Berger dagegen dringend geboten sei die Einführung von Tempo 80 auf Freilandstraßen, auf denen sich laut VCO 60 Prozent der tödlichen Verkehrsunfälle ereignen. Die Unfalltoten könnten mit dieser Maßnahme um etwa 80 jährlich reduziert werden. Zudem 'sind die Strafhöhen bei uns lächerlich", wie etwa ein Vergleich mit Finnland zeige. 'Dort orientiert sich die Strafhöhe am Einkommen. Sie schmerzt viel mehr als bei uns."

Kontrolle ist besser

Und letztlich würde deutlich zu wenig kontrolliert. 'Man muss Bewusstseinsbildung kombinieren mit Überwachung und Restriktion für die Unverbesserlichen wie etwa in Großbritannien, wo sehr viel kontrolliert wird."

Aber auch die Infrastruktur ist ein wichtiger Faktor für die Unfallvermeidung. Laut Plan des Verkehrsministeriums sollen künftig verpflichtende Sicherheitsprüfungen ('Road Safety Inspection") riskante Straßenabschnitte entschärfen. Das muss gar nicht viel kosten: 'Oft genügt es, ein Gebüsch zu entfernen", erklärt Ursula Messner vom KfV. Zudem laufen gerade Pilotprojekte, in denen Straßenbaupläne auf Sicherheitsgefahren hin geprüft werden. Auch diese Prüfung soll künftig vorgeschrieben sein.

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