Mit VW-Bus und Fokker unterwegs

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Die Volksopernproduktion von Nicolais "Die lustigen Weiber von Windsor" | liefert wieder einmal Stoff zum Nachdenken über szenischen Zeitgeist.

Spätere Erfolgsstücke erkennt man nicht selten daran, dass sie bei der Uraufführung durchfielen oder wenigstens nach einigen wenigen Aufführungen erst einmal abgesetzt wurden. Wie Otto Nicolais "Die lustigen Weiber von Windsor". Am 9. März 1849 erlebte diese "Komisch-phantastische Oper in drei Akten mit Tanz" ihre verhalten aufgenommene Uraufführung am Königlichen Opernhaus in Berlin, wo der Komponist als Kapellmeister tätig war. Nach weiteren drei Aufführungen wurde die Oper vom Spielplan genommen. Offensichtlich hat sich dies Nicolai sehr zu Herzen genommen, denn wenig später starb er an den Folgen eines Blutsturzes.

Zweierlei Falstaff

Seinen Siegeszug begann das Werk erst einige Jahre später. Mittlerweile ist es um diese italienisch beeinflusste deutsche Spieloper ruhiger geworden, was wohl auch damit zu tun hat, dass sie längst gegen eine übermächtige Konkurrenz anzukämpfen hat: Verdis auf demselben Shakespeare-Sujet basierender "Falstaff". Aber solches darf erst gar nicht bedenken, wer sich an dieses Werk, das über einen ganz anderen Charme verfügt, heranwagt. Freilich muss es nicht diese Mischung aus Originalität und quasi zeitgeistigem Spielwitz sein, mit dem Regisseur Alfred Kirchner jetzt in der Volksoper aufwartet. Dort erinnert man mit den "Lustigen Weibern" - die damit ihre achte Neuinszenierung am Währinger Gürtel erfahren - an den 200. Geburtstag Nicolais, der bekanntlich Gründer der Wiener Philharmoniker war.

Dass Kirchner, der für diese Regiearbeit auch Buh-Rufe abbekam, den Ehepaaren Fluth und Reich jeweils kleine, nachgerade an putzige Knusperhäuschen erinnernde Häuser (Ausstattung: Christian Floeren), die sich praktikabel verschieben lassen, zuordnet, mag man als bewussten Hinweis auf so manche märchenhafte Situation in diesem Stück akzeptieren. In welchem Kontext aber stehen die Ideen, Sir John Falstaff stets in einem altmodischen VW-Bus heranzukarren oder Fenton gar als Pilot zu karikieren, dessen Fokker-Dreidecker den Großteil des Abends über der Bühne schwebt?

Solcher Klamauk birgt stets die Gefahr, das Anliegen eines Stücks zu verniedlichen, seine Botschaft lächerlich zu machen. Wollte Kirchner damit den spielerischen Duktus der Musik unterstützen? Das wäre auch mit einer dezidierteren Personenführung möglich gewesen. Dann hätte man sich die Umdeutung des Walds bei Windsor in einen Tannenwald (weil Weihnachtszeit ist?) ebenso sparen können wie den kurzfristig sich als Herr Bach ausgebenden Herrn Fluth allzu läppisch in die Maske des alten Johann Sebastian schlüpfen und ihn aus seinem populäreren Repertoire einiges auf dem Klavier intonieren zu lassen. Ob Kirchner, der zusammen mit der Volksoperndramaturgin Helene Sommer auch für die textliche Einrichtung verantwortlich zeichnet, nicht Nicolais Charakteristik "komisch-phantastisch" zu wörtlich genommen, zu oberflächlich reflektiert hat?

Musikalische Sorgfalt

Musikalisch geht es weit weniger experimentell, dafür ausgesucht sorgfältig zu. Wobei sich an so einigen Stellen durchaus fragen lässt, ob der Abend mit manch zügigerem Tempo nicht an Spannung hinzugewonnen hätte. Aber Sascha Goetzel am Pult des gut studierten Orchesters und des ebenso präsenten Chores (Einstudierung: Michael Tomaschek) war es hörbar um Tempi zu tun, die es den Darstellern ermöglichen sollten, ihren Text klar zu deklamieren, auch wenn dies nicht bei allen glückte: wie etwa bei der Textdeutlichkeit gegen glasklare Koloraturen tauschenden Jennifer O'Laughlin als Frau Fluth. Von Lars Woldt in der Titelrolle des heruntergekommenen Landadeligen hätte man sich eine prägnantere Tiefe gewünscht, von Marco Di Sapia einen weniger gesteltzten Dr. Cajus. Farblos und artikulationsunklar Alexandra Kloose als damit reichlich enttäuschende Frau Reich.

Morten Frank Larsen und Martin Winkler geben rollendeckend die Herren Fluth und Reich, Daniel Behle ist ein ordentlicher Fenton, Andrea Bogner eine gleichermaßen Natürlichkeit wie stimmliche Sicherheit ausstrahlende Anna Reich. Gregor Hatala zeichnet für die sich harmonisch einfügenden Tanzszenen verantwortlich.

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