Mitunter harte Dialogversuche

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Mouhanad Khorchide matcht sich mit Islamkritiker Hamed Abdel-Samad. Irenischer dagegen verläuft sein Dialog mit Kardinal Kasper.

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Mouhanad Khorchide matcht sich mit Islamkritiker Hamed Abdel-Samad. Irenischer dagegen verläuft sein Dialog mit Kardinal Kasper.

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Für FURCHE-Leser ist Mouhanad Khorchide alles andere als ein Unbekannter. Der in Münster lehrende Islam-Theologe lässt sich in seinem neuen Buch auf den wortgewaltigen Islam-Kritiker Hamed Abdel-Samad ein. Der Band "Ist der Islam noch zu retten?" dokumentiert eine aufschlussreiche und lesenswerte Kontroverse der beiden in 95 Thesen, die um die Reformierbarkeit des Islam kreisen.

Beide Autoren sind im Mainstream-Islam nicht gelitten, Abdel-Samad, weil er als Glaubensabtrünniger gilt, Khorchide, weil er einen zu sanften, zu christentumsähnlichen Islam propagiere. Dennoch hofft der Rezensent, der ja weiß, dass vor gar nicht langer Zeit in seiner katholischen Kirche mit ähnlicher, wenn auch nicht mehr gewalttätiger Verve der eigene Heilsexklusivismus ebenso propagiert wurde wie die Überzeugung, dass man die absolute Wahrheit gepachtet habe: Reformer wie Khorchide mögen à la longue mit ihren Argumenten wider die eigenen Super-Orthodoxen durchdringen.

Auch wenn man sich mit Abdel-Samads Religionskritik natürlich auseinandersetzen muss, so hilft dessen Fundamentalopposition gegen alles (öffentlich) Religiöse, im Speziellen, aber nicht nur beim Islam, wenig bei der Auseinandersetzung um eine freie Gesellschaft, in der die Religiösen genauso ihren Platz haben wie die Ungläubigen, die vom Mainstream-Islam bekanntlich bis heute verdammt werden. An den Anwürfen Abdel-Samads sieht man, wo die Bruchlinien einer statischen Tradition gegen die Notwendigkeit einer dynamischen Entwicklung auch einer Religion wie des Islam verlaufen.

Aber bevor wohlfeile Islamkritiker allzuschnell mit dem Verdikt zur Hand sind, der Islam sei unrettbar in Gewaltgeschichte und Unmenschlichkeit verstrickt (Abdel-Samad sei dem entgegen zugestanden, dass er sich die Mühe macht, seine radikal antiislamischen Argumente auch wirklich zu begründen), sollte man Khorchides Rettungsversuche nachlesen, die sehr wohl einen Weg aus der vermeintlichen Sackgasse unumstößlicher Wahrheiten weisen. Kurz gesagt: Es gäbe Möglichkeiten für einem mit liberalem Staats-und Rechtsverständnis kompatiblen Islam. Und die letzten 70 Jahre der katholischen Kirchengeschichte zeigen, dass es Entwicklungen gibt, um aus einem rigorosen Glaubens-und Schriftverständnis zu einer Sicht zu gelangen, die die historischen Kontexte beachtet und daraus Konsequenzen zieht.

Zwei theologische Experten für Barmherzigkeit

Angesichts der spannenden Kontroverse des obigen Buches ist ein weiterer Gesprächsband von Khorchide beinahe irenisch zu nennen: In "Gottes Erster Name" ist der Dialog, den Kardinal Walter Kasper und Khorchide im Jahr 2016 auf Einladung der deutschen Vatikan-Botschafterin Annette Schavan in Rom geführt haben, dokumentiert. Der emeritierte vatikanische Ökumene-Minister Kasper war es bekanntlich, auf den Papst Franziskus mit seiner Theologie und Spiritualität der Barmherzigkeit immer wieder Bezug genommen hat. Und Khorchide ist seit einigen Jahren als leidenschaftlicher Verfechter eines Gottes der Barmherzigkeit, wie er ihn auch und gerade im Koran entdeckt, der kongeniale muslimische Gesprächspartner.

Insofern bietet dieser Gesprächsband wenig Neues unter der Sonne, er kann aber für alle am christlich-muslimischen Gespräch Interessierten dazu dienen, sich zu vergewissern, dass das Thema Barmherzigkeit ein zentraler Topos ist, an dem Christen und Muslime einander begegnen könnten. Dass die Zeiten für diese Begegnung rau sind, schmälert diesen Befund nicht.

Beide Bücher benennen auf unterscheidlichen Ebenen die Herausforderung, die es zu meistern gilt, dass nämlich an beständigen, auch harten und dornenreichen Dialogversuchen kein Weg vorbeiführt.

Gottes Erster Name

Ein islamischchristliches Gespräch über Barmherzigkeit.

Von Walter Kardinal Kasper, Mouhanad Khorchide. Patmos 2017.120 Seiten geb., € 13,40

Ist der Islam noch zu retten?

Eine Streitschrift in 95 Thesen.

Von Hamed Abdel-Samad und Mouhanad Khorchide Dromer 2017 304 Seiten, geb. € 20,60

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