Eine Vorschau auf das ImPuls-Tanzfestival 2005.
Ein monströser Sternenhimmel spannt sich über den Hintergrund der leeren Opernbühne: mattschwarze Nacht, Gestirne, weiß, wie von Kinderhand gemalt. Zwei Männer treten auf, halten den langgestreckten Körper eines Bühnenstars, tragen ihn langsam nach hinten - himmelprospektwärts -, drehen ihn gleichmäßig und behutsam, mit ihren abgewinkelten Armen rotierend, wie die empfindsamen Antennen eines Satelliten&
Sind an solchem Tun Startänzer zu erkennen, werden Sie sich fragen, handelt es sich doch um eine Aufführung der Pariser Oper, des besten und vermutlich auch teuersten Balletts der Welt. Und um den Auftakt des heurigen "ImPuls"-Festivals am 14. Juli - einer Festivalreihe, die mit der ganzen Bandbreite des zeitgenössischen Tanzes bekannt machen möchte.
Bandbreite des Tanzes
Trisha Brown, die Grande Dame des Post Modern Dance, die in den 1960er Jahren mit ihrer Arbeit am Judson Dance Theater bekannt wurde, verschob mit gleichgesinnten Künstlern wie Steve Paxton oder Yvonne Rainer die Grenzen des damals als adäquat empfundenen Bewegungsmaterials: "O zlozony / O composite" lautet der Titel ihres Trios, von ihr halbironisch als ihr erstes Ballett bezeichnet. Sie sucht nach tänzerischen "Äquivalenten" für das Fliegen, lässt sich wie so oft vom Verlassen des Erdbodens faszinieren. Jerome Bel, der "Nichtchoreograph", lässt im Solo "Veronique Doiseneau" eine Corps-de-ballet-Tänzerin über die Bühne latschen, bringt sie zum Reden und zum Träumen: ein Attentat auf den jahrhundertealten Kodex der Oper. Weiters ist an diesem Abend noch Barocktanz von Francine Lancelot, "Bach Suite 2", zu konsumieren. Und ein Schlüsselwerk der Ballettmoderne, "Apollon", das den damals 24-jährigen George Balanchine auf einen Schlag berühmt machte.
14.-16. Juli, Burgtheater
Ihren Mündern entschlüpfen verstohlen-drollige histoires d'amour in sieben Sprachen. Dartspfeile fliegen durch die Luft, bohren sich mit einem "Plapp" in den Dielenboden. Acht Tänzerinnen und Tänzer springen breitbeinig über die Tanzfläche, krachen zu Boden, rollen zur Seite, bleiben mit verdrehten Gliedmaßen liegen. Sie schmelzen im Licht, wie die Gegenstände auf Bildern von Matisse - das Sensationsstück "Les porteuses de mauvaises nouvelles" des belgischen Starchoreographen Wim Vandekeybus aus dem Jahr 1989 wirkt wie eben erst choreographiert: Tanz, Licht, Musik, Timing in perfekter Abstimmung.
31. 7., 1. & 2. 8., Akademietheater
Anne Teresa De Keersmaeker, eine andere Leitfigur der jüngeren europäischen Choreographie, entführt in "Raga Desh", einem fünfteiligen Kammerspiel, je nach Lichtwechsel ins herunter gekommene Theater der indischen Provinz oder in die intime Jazzbar. Wehmütige Vokalmusik. Weiche, knochenlose oder rasche, nervöse Gesten. Tiefe, starre Würde und eine Konzentration, die ganz von innen kommt: pures Gefühl in Bewegung.
21. & 23. 7., Akademietheater
Die Österreicher Chris Haring und Klaus Obermaier werden zum letzten (100.) Mal ihre Kultperformance "The Ultimate D.A.V.E." zeigen. Bei "D.A.V.E." (für "digital amplified video engine") ist der Körper im wörtlichen Sinn Projektionsfläche. Barfuß, mit nacktem, muskulösem Oberkörper dribbelt Chris Haring zu tosendem Straßenlärm im Kreis, ehe er zur Modelliermasse Mensch mutiert. Augen wandern, das Kinn wächst abwärts, gebiert einen gespenstischen Mund. Haring und der Medienkünstler Obermaier feiern zu sirrenden Synthesizertönen und jagenden Beats die wunderbar neue physische Verwandelbarkeit: Der Tänzer öffnet seine Haut wie einen Reißverschluß, in Anlehnung an die Bilder Francis Bacons wird blutiges Fleisch entblößt.
16. Juli, Arena
Unter "radikaler politischer Poetik" lässt sich das Finale des diesjährigen Festivals subsumieren: "Letters from Tentland", das von der Berliner Choreografin Helena Waldmann mit sechs Frauen in Teheran erarbeitete "Igluballett". Durch hochgezogene Zeltluken schauen traurig-ernste Frauengesichter: "&und wer kann erkennen, was für den Menschen besser ist, während der wenigen Tage seines Lebens voll Windhauch, die er wie einen Schatten verbringt" (Buch Kohelet, Altes Testament).
14. 8., Akademietheater
ImPulsTanz
Vienna International Dance Festival
14. Juli bis 14. August
www.ImPulsTanz.com
info@impulstanz.com
Tel: (01) 523 55 58
Fax: (01) 523 16 839
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