Moderne Sicht der Apokalypse

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Sehenswerte Kunstausstellung im Innsbrucker Stift Wilten.

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Sehenswerte Kunstausstellung im Innsbrucker Stift Wilten.

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Große Zeitenwenden setzen große Emotionen frei. Die endliche Existenz von Zeit und Welt drängt sich vermehrt ins Bewußtsein der Menschen; Zeit wird etwas, das Beachtung fordert, das kostbar und gefährdet ist. Mediale Schauerprophetie - wie möglicher Bankcrash, Computerabsturz mit Greuelfolgen, ökologischer Kollaps, Weltbürgerkrieg - heizt via Bildschirm die Endzeitängste des ansonsten durch Sex and Crime, Action and Horror doch recht abgebrühten Erdenbürgers auf.

Die prophetischen und apokalyptischen Bilder der Bibel - im Laufe der Geschichte besonders von der bildenden Kunst vielfach aufgenommen und transformiert - werden erschreckend real und aktuell. "Kann auch das zeitgenössische Kunstschaffen gültige Aussagen im Lichte der biblischen Apokalyptik treffen?"

Diese Frage richtete der Arbeitskreis Kunstraum Kirche im Katholischen Akademikerverband Tirol angesichts der brisanten Zeitkonstellation an jene Künstler, die am Kunstwettbewerb "ZEITENENDEZEITENWENDE Apokalypse Now?" der Diözese Innsbruck - angeregt durch Bischof Alois Kothgasser - teilnehmen wollten.

Die Ausschreibung, die insgesamt 145 bildende Künstler aus ganz Österreich, aus Deutschland, Südtirol und Italien auf den Plan rief, ist keineswegs die erste Veranstaltung des aktiven Tiroler Arbeitskreises unter Leitung von Gerhard Larcher, Dekan der Theologischen Fakultät der Universität Graz, und Elisabeth Larcher. Schon seit 1990 ist man hier um einen fruchtbaren Dialog zwischen moderner Kunst, Kirche und Gesellschaft bemüht (zum Beispiel Otto Mauer-Symposion und Ausstellung, Herz-Jesu-Kunstpreis der Diözese Innsbruck mit Symposion, Kunstaktionen in kirchlichen Räumen ...)

Wie auch der Papst in seinem Brief an die Künstler zu Ostern dieses Jahres hervorgehoben hat, stellt für ihn die Kunst "auch jenseits ihrer typischen religiösen Ausdrucksformen" und "sogar in den Situationen eines größeren Abrückens der Kultur von Kirche ... weiter eine Art Brücke zur religiösen Erfahrung hin dar".

Die künstlerischen Antworten zur Thematik des diözesanen Wettbewerbs, die keiner bestimmten inhaltlichen oder formalen Realisierung unterworfen werden, stellen sich nun im Stift Wilten in Innsbruck in unterschiedlichen Techniken und Bildfindungen vor.

In freier, selbständiger Annäherung versuchen die Künstler, den schwierigen, durch Symbole, Bilder und Metaphern auch teilweise von der Gesamtintention ablenkenden apokalyptischen Bibeltext aus heutiger Sicht zu visualisieren. Diese Aufgabe erfordert von ihnen ein Problembewußtsein, welches die Apokalypse nicht durch Untergangsszenarien, sondern auch durch impulsgebende Hoffnungsvisionen kommentiert. " Die Offenbarung des Johannes" gibt zum Beispiel entschiedene Hoffnung inmitten all der realen und möglichen Bedrohungen unserer Welt", sagt Bischof Kothgasser dazu. "Denn wichtige Entscheidungen stehen für die immer mehr aufeinander angewiesene Menschheit an, damit sie in Würde und Freiheit eine Zukunft haben und gestalten kann."

Moderne Preisträger Das motivierende Symposion zum Kunstpreis der Diözese Innsbruck hatte bereits im März dieses Jahres stattgefunden. Nun wählte eine unabhängige Jury (ein Theologe, eine Künstlerin, ein Kunsthistoriker) 43 Arbeiten für die Ausstellung, darunter auch die fünf Preisträger, aus. Der 1. Preis wurde einstimmig an den in Köln lebenden Tiroler Künstler Herwig Weiser für seine beeindruckende Videoarbeit "Entree" vergeben, die sich mit dem Medium Kino auseinandersetzt. Auch die Südtirolerin Marianne Gostner (2. Preis) beschäftigt sich mit den Medien als Überbringer apokalyptischer Botschaften, denen wir uns ausgeliefert sehen: "Unüberhörbar" ist ein Objekt, gestaltet aus einem aus Tageszeitungen geschnittenen und verwebten Kleid, das sie in einen Schrank aus Metall hängt. Dieses Kleid, das an die Haut einer Schlange denken läßt, engt nun nicht mehr ein, ist abgelegt. Den 3. Preis erhielt Hannes Franz, gebürtiger Innsbrucker, in Wien lebend, für sein Farbfoto "Ohne Titel" auf Aluminium, das eine tote Felslandschaft zeigt, vor der ein Brocken rohes Fleisch schwebt - eine Metapher, die grauenerregend und erschütternd zugleich ist.

Seiner Klangskulptur "Zeitenlauf" entlockt der Pitztaler Holzbildhauer Kassian Erhart (4. Preis) wahrhaft apokalyptische Töne. Der Vinschgauer Erich Kofler Fuchsberg thematisiert mit seinem 5. Preis - Objekt: Verschlossene Bücher (Holz, Tusche, Kohlenstaub, Asche, Sand, Erde) - die Apokalypse als Ende menschlichen Wissens. Mit einer feierlichen, musikalischen untermalten Vesper, einem Festvortrag von Hochschulprofessor Günter Rombold und der Verleihung der Kunstpreise durch den Bischof wurde die Ausstellung am 12. November unter großer Publikumsbeteiligung eröffnet - ein spiritueller Gewinn für Künstler und Betrachter!

Denn "im künstlerisch-spirituellen Prozeß der Besinnung, der Vorbereitung und der Teilnahme" sieht der Tiroler Bischof die Möglichkeit,daß "die Überlieferung der Kirche neu gelesen wird und die Zeichen der Zeit besser verstanden werden".

"Zeitenendezeitenwende. Apokalypse Now?"1999. Stift Wilten, Innsbruck, täglich 16 bis 19 Uhr, bis 5. Dezember.

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