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Eine Ausstellung zeigt Schnitzlers Blick auf die Sexualität sowie das Männer-und Frauenbild.

Wie kaum ein anderer Autor der Jahrhundertwende wusste Arthur Schnitzler öffentliche Zustände mit privaten Befindlichkeiten auf spezielle Weise zu verbinden, so dass er sowohl im literaturwissenschaftlichen Kanon als auch auf den Theaterspielplänen seinen fixen Platz hat. Im Jahr seines 75. Todestages ist nicht nur im Burgtheater sein einst Skandal umwobener Reigen zu sehen; das Filmarchiv Austria präsentiert eine Retrospektive unter dem Motto Als Fräulein Else laufen lernte und das Österreichische Theatermuseum zeigt die Ausstellung Arthur Schnitzler: Affairen und Affekte. Diese beiden Begriffe begleiten einerseits die Wirkungsgeschichte von Schnitzlers Werk, sind aber auch bei ihm selbst zentrales Thema.

Erotomane Schnitzler

Als Kuratorinnen und Herausgeberinnen des gleichnamigen Sammelbandes konnte das Theatermuseum zwei Literaturwissenschaftlerinnen gewinnen: Furche-Autorin Evelyne Polt-Heinzl und Gisela Steinlechner. Um drei zentrale Texte Schnitzlers kreisend, arrangierten sie das Buch und zusammen mit dem Architekten Peter Karlhuber die Schau.

Im Eingangsbereich erwarten den Besucher rote Plüsch-Fauteuils, deren Polster Schnitzler'sche Tagebuchzitate tragen, etwa "Ging Abd. spazieren, bin wieder erotisch [wie] krank. Möchte alle haben." Neben Einblicken in Schnitzlers reges Liebesleben dienen Alltagsgegenstände mit erotischen Motiven als sozialpsychologische Momentaufnahmen. Ein angedeutetes Chambre séparée ist mit Verhütungsbehelfen aus der Zeit ausgestattet, Verhütungs-Schwämmchen beispielsweise sollten nicht nur ungewollte Schwangerschaften verhindern, sondern auch vor Geschlechtskrankheiten schützen. So ist der Reigen (1896/97) nicht nur als Liebesrundum interpretiert, sondern auch als Totentanz angelegt. Als Arzt war sich Schnitzler der gesundheitlichen Risiken immer bewusst, so sind auf den Kehrseiten der Polster mit ihren Abbildungen hübscher Mädchen Tafeln mit Syphilis-Geschwulsten zu sehen. Arbeiten zeitgenössischer Künstler, wie etwa Julius Deutschbauers Fotografien zu umgangssprachlichen Koitierungs-Synonymen, verbinden zeithistorische Objekte auf amüsante Art mit der Gegenwart. Vom Geschlechtertanz und-kampf des Reigen führt der Weg in Männer-und Frauenwelten. Das Rondeau ist in einen düsteren Lieutnant Gustl-Raum verwandelt worden, der die Besucher hypnotisch in die bekannte Monolognovelle hineinzieht. In Audiostationen hört man Joseph Lorenz den Gustl-Monolog sprechen, in Kopfhöhe stehen in strenger Linie schwarze Herrenstiefel. Statt Vitrinen zeigen Spinde Fotografien von Militärakademien oder Duell-Ordnungen. Schnitzler lehnte das Duell als blutigen Sport und Menschen verachtendes Draufgängertum der Oberschicht ab. In Lieutnant Gustl (1900) zeigt er die Absurdität dieses Ehrenkodexes. Als Konsequenz wurde Schnitzler der Offiziersrang aberkannt.

Ein Seelenbild Wiens

Durch eine Drehtüre, die frühe Nacktszenen der Saturnfilm zeigt, schwingt man sich leichtfüßig in die Welt von Fräulein Else (1924). Auch hier gelingt es, gestalterisch die Atmosphäre eines Milieus einzufangen. Großformatige Fotografien von exklusiven Hotels der Jahrhundertwende situieren das Mädchen Else in die entsprechende Umgebung. In vier Kojen wird ihre Identitätssuche deutlich gemacht, als "Sporting girl" spielt Else Tennis mit eleganten Herren, die sie wiederum als Tauschobjekt für ihre Geschäfte betrachten. Filmausschnitte mit Elisabeth Bergner machen den didaktischen Ansatz lebendig und zeigen die Orientierungslosigkeit junger Frauen in der gesellschaftlichen Umbruchsituation des beginnenden 20. Jahrhunderts.

Durch das Konzept der "Textbegehung" ist Affairen und Affekte den Gefahren von Literaturausstellungen als trockene Leseschauen entgangen. In der gelungenen Rauminszenierung spaziert der Besucher gleichsam durch das Seelenbild Wiens des Fin de siècle und Arthur Schnitzlers.

Auch der gleichnamige Band, der sich nicht als Katalog versteht, ist mit seinen zahlreichen Farbabbildungen und spannenden Texten sowohl für ein breites als auch für ein Fachpublikum interessant.

arthur schnitzler

Affairen und Affekte

Österreichisches Theatermuseum

Lobkowitzplatz 2, 1010 Wien

www.theatermuseum.at

Tel: 01/512 88 00

www.theatermuseum.at

Bis 21. 1. 2007 Di-So 10-18 Uhr

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