Über Monotheismus hinaus?
Dass sich die "Mitte wieder einmal ganz woanders“ befinden könnte, als dort, "wo unsereins am liebsten hinschaut“, vermutet Ina Praetorius. Inhaltlich ging es um die "hierzulande noch immer gängige Auffassung“, der "Monotheismus verbreite sich sukzessive über die ganze Welt“, wo doch in vielen Teilen der Welt und auch hierzulande Menschen ganz anderes glauben.
Die Frage ist halt nur, ob es diese "Mitte“ überhaupt noch gibt. Eine Zentralperspektive jedenfalls, von der aus man alles oder zumindest das Wichtigste in den Blick bekommen könnte, Benthams und der ganzen Moderne Traum gibt es nicht mehr. Was bleibt, ist Multiperspektivität, also das Lob der Differenz, Experimentalität, also das Wagnis gegen alle Sicherheiten, und für die Theologie speziell Dorothee Sölles Rat, dass sie zwar "Anteile der Wissenschaft braucht, aber eigentlich näher an Praxis, Poesie und Kunst ist als an der Wissenschaft.“
Im Übrigen: Dass "Gott“ - und gar der Monotheismus - ein "Spätling“ (v. d. Leeuw) der Religionsgeschichte ist, das ist schon länger deutlich. In den Religionen geht es zuerst um Macht und Mächte, um das Erschrecken vor ihnen und den Umgang mit ihnen. Wie sich aber die religiösen Landschaften der Weltgesellschaft entwickeln werden, das kann niemand vorhersagen. Entscheidend für die Religionen in globalisiert kapitalistischen Zeiten wird wohl werden, unter wessen Bestimmungsmacht sie geraten, wer also über sie zuletzt entscheidet: das Individuum, wie im Westen, eine Religionsgemeinschaft, wie es traditionell war und der "Fundamentalismus“ wieder will, oder ein Staat, wie in den politischen und politisierten Religionen. Davon wird abhängen, was und wie Menschen glauben werden. Und natürlich davon, wie religionsproduktiv der Kapitalismus selber wird.
* Der Autor ist kath. Pastoraltheologe an der Universität Graz
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