Mord, so weit das Auge reicht

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Salzburger Landestheater: ein grandioser Ballettabend mit Reginaldo Oliveiras "Othello" und eine respektable "Hamlet"-Inszenierung von Alexandra Liedtke.

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Salzburger Landestheater: ein grandioser Ballettabend mit Reginaldo Oliveiras "Othello" und eine respektable "Hamlet"-Inszenierung von Alexandra Liedtke.

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Welch ein Tanztheater-Spektakel! Der neue Ballettchef des Landestheaters Salzburg, Reginaldo Oliveira, hat sein erstes abendfüllendes Handlungsballett vorgestellt, die Uraufführung seines "Othello". Es war ein viel bejubelter Einstand des Brasilianers, der nach "Medea -Der Fall M.", die er für die "Dionysien" in der Felsenreitschule aus Karlsruhe mitgebracht hatte, und dem brasilianisches Leben repräsentierenden "Balacobaco" auf der Probenbühne in Salzburg-Aigen, nun erstmals seine Compagnie entsprechend vorstellte. Alles, was Shakespeares "Othello" dramaturgisch zu bieten hat, erzählt Oliveira in seinem Ballett als rasante, emotional hoch aufgeladene Begebenheit - mit Musik von Arvo Pärt, Lera Auerbach, Camille Saint-Saens und Alfred Schnittke -von der ersten Szene bis zur Ermordung Desdemonas aus einem Guss. Ein Erzählstrang dreht sich dabei um Jago, der bei einer Beförderung von Othello übergangen wird und deshalb alle Register der Intrige zieht, um sich an Othello zu rächen; ein verlorener roter Schal dient ihm dazu, Othellos Eifersucht bis zur Weißglut zu schüren. Jago ist im Grunde der Herr und Strippenzieher der Handlung.

Der andere, tänzerisch ebenso interessante Part beschäftigt sich mit Jago und seiner von ihm instrumentalisierten Gattin Emilia. Der Pas de deux der beiden ist einer der Höhepunkte dieses Balletts, das insgesamt auch den Spitzentanz wieder stärker in die Choreografie einbezieht. Reginaldo Oliveira hat mit seiner szenischen Konzeption und dieser Choreografie eine neue, eine andere Welt des Denkens und Umsetzens aufgemacht, er lässt das Geschehen vom hämmernden Klavier oder von einem lamentierenden Adagio vorantreiben, ohne dass irgendwo auch nur ein leiser Bruch zu finden wäre.

Der Ballettchef hat mit seinen Protagonisten Flavio Salamanka als Othello und Iure de Castro als Jago, mit Márcia Jaqueline als Desdemona und Larissa Mota als Emilia eine Idealbesetzung zur Verfügung, wobei das Ensemble ohne Einschränkung ebenso professionell agiert. Dazu hat Sebastian Hannak von der Mauer mit Toren bis zum finalen Trümmerfeld ein adäquates Bühnenbild geschaffen, die zeitlos eleganten Kostüme stammen von Judith Adam.

Kompakt inszeniert und reduziert

"Die Zeit ist aus den Fugen": Der Himmel über seiner Welt ist nach dem Mord am Vater auch für Hamlet eingebrochen. Vom Geist des Vaters getrieben, sinnt er auf seine Weise, Rache an seinem Onkel Claudius zu üben, der sehr schnell nach dem Tod des Königs dessen Witwe Gertrude, Hamlets Mutter, zur Frau genommen hat.

Chaos auch hier wie bei "Othello", der als "Anderer" in die venezianische Gesellschaft eingebrochen war und dort deshalb einen schweren Stand hat. Beide Stücke haben Mord zum Inhalt, sie werden, je nach Gewichtung, als Psychogramm oder als existenzialistisches Drama vorgestellt. Im Salzburger Landestheater zeichnet Gregor Schulz den Hamlet mit allen Facetten dieser Figur, Walter Sachers ist der Oberkämmerer Polonius und Hanno Waldner sein Sohn Laertes. Königin Gertrude ist Britta Bayer und die irritierte Ophelia Genia Maria Karasek.

Auf Rosenkranz und Güldenstern wartet man vergeblich, den berühmten Monolog "Sein oder Nichtsein" hat Alexandra Liedtke in ihrer Inszenierung (basierend auf der Schlegelʼschen Shakespeare-Übersetzung) an den Schluss gesetzt. Textteile wurden neu verteilt, es bleibt ein links und rechts reduzierter "Hamlet", aber dennoch eine sehr respektable Aufführung, die sich sehen lassen kann.

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